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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine
Autoren: Hans Kneifel
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letzten Schritte legte Anhetes laufend zurück. Dann öffnete er die silberbeschlagene Tür seines Hauses. Zwei enge Gassen und ein kleiner Platz lagen zwischen dem Königsweg und dem Haus. Gedämpfte Helligkeit und schmeichelnde Wärme schlugen dem Baumeister entgegen. Dumpf fiel die Tür ins Schloß zurück; das Toben des eisigen Windes verklang plötzlich.
    Anhetes blieb stehen, kniff die Augen zu und hob langsam die Hände, um den weiten Mantel abzulegen. Hinter ihm tauchte lautlos Shechta auf, der Haussklave.
    »Shechta – mich friert, und mich hungert es. Was bietest du?«
    »Wärme und Essen, Herr, und schweren, blauroten Wein.«
    Der heisere Baß des Sklaven löste die leise Stimme Anhetes ab. Der Baumeister lachte leicht.
    »Das ist gut!«
    Shechtas Hände nahmen ihm den Mantel ab, schüttelten den Stoff und falteten ihn zusammen. Dann legte der greise Sklave das Kleidungsstück auf eine Steinbank, die sich neben dem Eingang befand. Über dem roten Band war eine polierte Silberfläche in die Wand eingelassen. Daneben stand ein Becken mit Wasser, in dem eine Seelilie schwamm, die ihre rote Blüte entfaltete. Aus anderen Räumen kamen Gerüche; streng, aber nicht unangenehm.
    »Dort, Herr – das Wasser und die Tücher!« sagte Shechta.
    Anhetes ging einige Schritte in den Raum hinein, in dem in Kupferpfannen Holzscheite verglühten. Balsamharz verdampfte und roch stark. Wärme und blutrotes Licht gingen von den Pfannen aus. Zwischen ihnen stand ein Holzbecken, gefüllt mit warmem Wasser. Anhetes bückte sich und löste die bronzenen Schnallen; Shechta nahm ihm die Sandalen ab und sah seinen Herrn mit eigentümlichem Gesichtsausdruck an. Was immer geschehen war, noch nie hatte Shechta übermäßige Gefühlsregungen gezeigt.
    Anhetes stellte die Füße in das gewärmte Wasser.
    Sein Leben hatte bisher siebenundzwanzig heiße Sommer gedauert. Er war in diesen Jahren vom Sohn eines königlichen Kornkammerverwalters zu dem obersten Baumeister des Königs emporgestiegen und zum Priester der Göttin Ka. Er war ein Mann in der Mitte seines Lebens.
    Unter dem weißen Stoff des gewebten Hemdes zeichneten sich die harten Linien des sehnigen Körpers ab. Anhetes war mittelgroß und tiefbraun gebrannt, und die Haussklavin Fard, der Anhetes die Pflege seines Körpers überlassen hatte, war im königlichen Palast geschult worden. Sie badete, massierte und ölte Anhetes ein, wann immer er es befahl. Er war ein strenger und guter Herr.
    Wie eine Statue stand Shechta im Halbdunkel der Verbindungstür zwischen Halle und Wohnraum und beobachtete das Mädchen Auben. Anhetes blickte ebenfalls auf ihren Scheitel. Goldene Lichter erschienen in dem Grau der Iris; der Schein der Holzkohle spielte über das kantige Kinn des Baumeisters. Jetzt sah man die Schatten starken Bartwuchses und das kurze Haar.
    Die Augen sahen viel, und hinter ihnen verbargen sich ein schneller Verstand und ein zielstrebiger Wille. Ein Verstand, der, wie es schien, von einem unbekannten Gott in den Schädel Anhetes eingepflanzt worden war. Wohlig umschmeichelte das Wasser Anhetes Füße. Auben, die ilenitische Sklavin, trocknete die Glieder mit einem Tuch ab und half Anhetes in die strohgeflochtenen Schuhe.
    Shechta winkte Anhetes, ihm zu folgen.
    Anhetes spannte seine Muskeln und ging dann schnell dort hinüber, wo im Licht dreier Öllampen der Tisch gedeckt war. Gehämmerte Bronzeschalen, elfenbeinerne Messer und silberne Pokale befanden sich auf dem weißen Leinentuch, daneben, auf einem niedrigen Tisch, die Weinkrüge.
    Anhetes setzte sich und griff nach dem Fladenbrot. Er beschäftigte sich schweigend mit dem Essen. Unter der Aufsicht Shechtas, dem unentbehrlichen Verwalter des Hauses, hatten die Sklaven in der kleinen Küche Geflügel gebraten, Brot gebacken und Früchte mit Honig zubereitet.
    Eine halbe Stunde später war Anhetes satt und lehnte sich zurück. Er sah zu, wie die knochige Hand Shechtas den Weinkrug ergriff und einen der Pokale füllte.
    »Schenk dir einen Becher voll – wir werden heute noch aufs Dach klettern und die Sterne beobachten. Der Wein soll uns wärmen.«
    Shechta nickte und tat so.
    »Werde ich schreiben müssen?« fragte er.
    »Natürlich«, sagte Anhetes und trank auf. Der Wein war schwer und aromatisch.
    »Die Gärten des Turms sind nahezu fertig«, sagte Anhetes und hielt Shechta den leeren Pokal hin. »Was gab es heute in der Stadt?«
    »Nicht viel«, sagte Shechta ruhig. »Tot-meres liegt immer noch im Sterben; die
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