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TS 72: Das Erbe von Hiroshima

TS 72: Das Erbe von Hiroshima

Titel: TS 72: Das Erbe von Hiroshima
Autoren: Clark Darlton
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auch einen persönlichen Grund, Herr Professor, der meinen Entschluß sicherlich beeinflußt hat. Fünf Monate vor Beendigung des Krieges geriet meine Frau in den Bereich gefährlicher Strahlung, trug aber weiter keine sichtbaren Schäden davon. Am Tage von Hiroshima wurde meine Tochter geboren. Seit einem Jahr warte ich ängstlich darauf, an ihr Erbschäden festzustellen, bisher Gott sei Dank vergebens. Aber ich betrachte die Umstände als eine Warnung, der ich nicht ausweichen darf.“
    Oberhauser hatte interessiert zugehört, und nun nickte er abermals.
    „Soll ich Ihnen gestehen, daß ich Sie beneide? Ja, ich beneide Sie um Ihren moralischen Grund, die Weiterarbeit aufzugeben. Kein Mensch erhielt je in seinem Leben eine ernsthaftere Warnung vom Schicksal als Sie. Glauben Sie mir, ich werde weiterarbeiten, ohne Sie und einige andere. Ich werde schlimmere und tödlichere Waffen herstellen, als die Menschheit jemals besaß, aber ich tue es nur, um die Menschheit vor einem Krieg zu bewahren. Das glaube ich, und ich bitte Sie, mir diesen Glauben nicht zu zerstören, da ich sonst zerbrechen müßte. So, nun habe ich Ihnen mein Geheimnis mitgeteilt – bitte, schweigen Sie.“
    Bob Britten sah Oberhauser eine Weile wie erstarrt an, ehe er den Blick senkte. Nie in seinem Leben hatte ihm ein Mensch so leid getan wie jetzt der Professor. Er nickte.
    „Niemals wird jemand von unserem Gespräch erfahren und niemand soll je wissen, daß Sie genauso ein schwacher, hilfloser und gequälter Mensch sind wie ich. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen. Vielleicht sagen Sie mir nun, wo ich künftig arbeiten darf.“
    „Ich dachte darüber nach, und vielleicht können wir es als eine Art Genugtuung ansehen, wenn sich mein Plan, verwirklicht. Wir haben mit unserer Arbeit eine Gefahr heraufbeschworen, die wir auch zu bannen wissen sollten. Eine der gefährlichsten Nebenerscheinungen im Rahmen der Atomforschung ist die radioaktive Strahlung – wer wüßte das besser als Sie? Ich gedenke, ein medizinisches Institut ins Leben zu rufen, dessen Aufgabe es sein soll, über die Schäden zu wachen, die radioaktive Strahlungen hervorrufen. Wären Sie bereit, die Leitung dieses Institutes zu übernehmen?“
    Bob sah Oberhauser verblüfft an. Aber dann ging ein Leuchten über seine Züge und er erhob sich impulsiv, um dem Professor die Hand entgegenzustrecken.
    „Wie soll ich Ihnen jemals danken? Natürlich nehme ich an, wenn Sie glauben, ich sei der rechte Mann dazu.“
    „Sie sind es“, sagte Oberhauser und erwiderte den Händedruck.
    Das also war vor sechs Jahren geschehen.
    Schon 1947 wurde das Institut eingeweiht, und Bob Britten siedelte nach Richmond in Virginia über, wo Ann dann auch die Schule besuchte.
    Das alles zog noch einmal an Bob vorüber, während er frühstückte. Seine Gedanken wurden gewaltsam unterbrochen, als Ann in das Zimmer stürmte und ihn mit dem üblichen Kuß begrüßte.
    „Guten Morgen, Dad“, zwitscherte sie fröhlich und setzte sich an den Frühstückstisch. Bob schob ihr die Tasse zurecht und schenkte ihr Kakao ein. „Ich hatte einen lustigen Traum. Willst du, daß ich ihn dir erzähle?“
    „Guten Morgen, mein Goldengel. Wenn ich darf, möchte ich natürlich wissen, was du geträumt hast. Aber willst du damit nicht warten, bis Mom bei uns ist?“
    „Sie weiß schon alles“, lachte Ann vergnügt. Aber dann wurde ihr Gesichtchen plötzlich ganz ernst. „Sie hat mich nämlich heute früh wieder mit dem schrecklichen, kalten Wasser gewaschen. Warum eigentlich? Im Bett werde ich doch nicht schmutzig, und erst gestern abend mußte ich baden.“
    Bob verbiß das Lächeln.
    „Vielleicht bist du im Traum schmutzig geworden?“ fragte er ernsthaft.
    Sie hielt in ihren Bewegungen inne und betrachtete ihn erstaunt. Dann aber nahm sie einen herzhaften Schluck aus ihrer Tasse und schüttelte den Kopf.
    „Nein, das ist ganz unmöglich. Ich träumte von einer wunderschönen Blumenwiese und einem blauen See, in dem ich schwamm. Stelle dir vor, ich konnte schwimmen. Nein, dabei bin ich sicher nicht schmutzig geworden.“
    Bob machte „Hm“ und verbarg sich hinter der Zeitung.
    Marry kam und brachte die Schulmappe mit.
    „Ann muß heute eine Rechenarbeit schreiben“, verkündete sie und nahm Bob die Zeitung ab, um sie neben sich auf den Tisch zu legen. „Vielleicht schafft sie es, die Beste zu sein.“
    „Ich bin intelligent und stehe über dem Durchschnitt“, behauptete Ann selbstsicher. Sie mußte diesen Satz
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