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TS 18: Der strahlende Phönix

TS 18: Der strahlende Phönix

Titel: TS 18: Der strahlende Phönix
Autoren: Harold Mead
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uns sprach ein Wort.
    Das Gebäude, vor dem wir Halt machten, hatte lange Korridore mit numerierten Türen. Die Wärterin war eine Frau von etwa fünfzig Jahren. Sie trug einen weißen Dienstkittel und saß müde hinter einem Pult.
    „Wie lange?“ fragte sie.
    „Zwei Wochen.“ Ich reichte ihr meine Lizenz, und sie stempelte sie. Dann nahm sie einen Schlüssel von einem Brett und gab ihn mir mit den Worten: „Erster Stock, rechts. Und viel Vergnügen!“
    Der kleine Raum war einfach möbliert und völlig weiß. An den Wänden hingen in schwarzen Rahmen die Bestimmungen des Gesundheitsministeriums. Das Zimmer war sauber und roch nach Desinfektionsmitteln. Jenny stand da und drehte nervös ihre Finger. Sie war verlegen, und ich ebenfalls. Ich konnte es nicht verstehen. Früher war alles anders gewesen. Diese Erkenntnis irritierte mich.
    Jenny stand, mir den Rücken zugewandt, vor den Wänden und las die Bemerkungen. Ich wußte, was sie besagten.
    „Warum um alles in der Welt liest du diesen Unsinn?“ fragte ich sie, nur um etwas zu sagen.
    Sie antwortete, ohne sich umzuschauen. „Ich bin noch nie in solch einem Raum gewesen.“ Ihre Stimme klang zaghaft und verängstigt.
    Ich haßte ihre Furcht, ich haßte alles.
    „O zum Donnerwetter“, rief ich aus, „muß ich dich auch noch erziehen?“ Ich warf das Buch mit den Bestimmungen, das man uns zusammen mit unserer Lizenz ausgehändigt hatte, auf das Bett. „Lies es!
    Sie stand unglücklich da.
    „Warum hast du mich akzeptiert?“ grollte ich.
    Sie sah mich mit dem ihr eigenen Blick an. „Weil – weil ich dachte, es erwartet mich etwas ganz Neues. Hast du deine Meinung geändert?“ fügte sie ruhig hinzu.
    „Nein!“ rief ich und faßte sie an den Schultern. Sie kam ganz leicht an mich heran, mit erhobenem Gesicht. Geräusche aus dem Nebenzimmer drangen zu uns; eine Stimme – ein Lachen – ich wußte nicht, was es war. „Aber nicht hier, nicht in diesem Raum!“
    Ich nahm ihr das Buch mit den Bestimmungen aus den Händen und warf es unter das Bett. Dann gingen wir zusammen hinaus in die Nacht. Ich sah, wie die Wärterin uns nachstarrte, als wir das Gebäude verließen, aber ich kümmerte mich nicht darum.

 
IV
     
    Später, um den Schein zu wahren, gingen wir zur Herberge zurück. Ich war glücklich, glücklich in einer Art, die ganz neu für mich war. Jenny ging schweigsam an meiner Seite und hielt meinen Arm, und ich wußte, daß auch sie sich glücklich fühlte.
    Die Wärterin saß immer noch an ihrem Pult, müder als je zuvor. „Herein und wieder heraus“, brummte sie. „Haben Sie keine Arbeit?“
    „Noch nicht“, sagte ich. „Wollen Sie unsere Papiere sehen?“
    Sie winkte ab und gähnte uns an. „Wenn Sie zu spät zur Arbeit kommen, dann werden Sie ohnehin zur Rechenschaft gezogen. Was geht das mich an?“ Sie gab uns unseren Schlüssel, und wir gingen in unser Zimmer. Jenny hatte an jenem Tag eine späte Schicht, und ich mußte mich erst um neun Uhr bei Schultz melden.
    Wir zogen unsere Schuhe aus und legten uns hin. Jenny gähnte und sagte: „Wir müßten uns eigentlich etwas zum Essen besorgen.“
    Ich stimmte zu, aber keiner von uns machte sich die Mühe, aufzustehen. Bald konnte ich aus ihren regelmäßigen Atemzügen entnehmen, daß sie eingeschlafen war. Ich streichelte ihr Haar und küßte sie. Sie murmelte etwas, aber erwachte nicht. Ich lag da und hörte auf die Geräusche, die von draußen durch das kleine Fenster drangen. Wir würden uns heute abend um eine ,B’-Lizenz bemühen und hoffen, daß der Staat uns allein lassen würde und wir nicht durch meine Arbeit getrennt würden. In dieser Gesellschaft, in der wir beide uns als Fremde fühlten, würden wir jetzt leben können, da wir uns mit einem Wall der Liebe umgeben hatten. Aber in dieses Glücklichsein schlich sich Furcht. Der Wall, den wir um uns aufgebaut hatten, war dünn wie Glas und konnte trotz größter Sorge um den anderen zerbrochen werden. Mit diesen Gedanken beschäftigte ich mich, bis es Zeit für mich war, aufzustehen und zu gehen.
    Ich schüttelte sanft Jennys Arm, bis sie ihre Augen öffnete und mich anschaute. „Ich muß gehen“, sagte ich.
    „Komm zu mir zurück.“
    „Ich werde zu dir zurückkommen. Hierher. Wenn du deinen Dienst beendet hast.“ Die Geräusche, das Kommen und Gehen, die Vorschriften an den Wänden, all das bedeutete uns jetzt nichts. Wir hatten diese Dinge aus unserer Welt ausgeschlossen. „Komm nicht zu spät zu deiner
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