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TS 18: Der strahlende Phönix

TS 18: Der strahlende Phönix

Titel: TS 18: Der strahlende Phönix
Autoren: Harold Mead
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kicherten und starrten mich an, aber ich ließ mich dadurch nicht stören, setzte mich hin und begann zu essen. Jenny, so hieß das Mädchen, meinte es gut mit mir. Ich bekam eine viel größere Portion, als mir eigentlich zustand. Sie setzte sich mir gegenüber und stützte ihre Hände unter das Kinn. Dann sprang sie auf, um mich noch mit dem, was mir fehlte, zu versorgen. Sie sagte nichts, und obgleich ich über ihre Aufmerksamkeit, die sie mir schenkte, gerührt war, fand ich keinWort des Dankes. Meine Gedanken waren bei meinem Bericht – ich überlegte, wieviel Urlaub sie mir wohl geben würden und welche Arbeit mir demnächst aufgetragen würde. Trotzdem empfand ich Jennys Anwesenheit als angenehm.
    Hin und wieder warf die Chefbeamtin einen Blick in das Hinterzimmer. Sie war klein und dünn, aber ihr Gesicht schien sympathisch. Als fast alle anderen Mädchen ihre Mahlzeit beendet hatten und weggegangen waren, sagte sie: „Sie sollten sich jetzt fertig machen, Jenny, Die nächste Schicht wird bald beginnen.“
    Jenny stand auf. Ich hatte inzwischen mein Frühstück beendet und zündete mir eine Zigarette an. Sie nahm meinen Teller fort, ich dankte ihr für die Mühe, die sie meinetwegen gehabt hatte und fragte: „Sind Sie jetzt dienstfrei?“
    „Ja“, war die knappe Antwort. Sie hatte zur Frühschicht Dienst und kam jetzt erst wieder zum Abend an die Reihe.
    „Was werden Sie jetzt tun?“
    „Ich will ein wenig schlafen, und dann möchte ich Spazierengehen.“
    „Ist es nicht langweilig für Sie, zu dieser Tageszeit dienstfrei zu haben?“
    „Ja. Jeder arbeitet jetzt, fast jeder.“ Sie ging hinaus, zog ihre Dienstkleidung aus und kam in ihrem Alltagskleid wieder zurück. Während sie sich umzog, nahm ich den Brief aus der Tasche und las die Instruktionen, die für mich bestimmt waren. Ich mußte mich am nächsten Morgen um neun Uhr bei einem Mann namens Schultz melden. Das war alles. Als Jenny zurückkam, saß ich da und starrte vor mich hin auf die Tischplatte. Ich überlegte, was ich mit dem Rest des Tages anfangen sollte. Ich hatte mich gefreut, wieder in die Zivilisation zurückzukehren, und jetzt, als es soweit war, wußte ich nicht, was ich beginnen sollte. Das beunruhigte mich.
    Jenny riß mich durch ihre Anwesenheit aus meinen trüben Gedanken, und wir gingen zusammen hinaus. Als wir gerade auf die Straße traten, liefen wir direkt einem Moralbeamten in die Arme, einem dicken Kerl mit einem blauen Kinn und einem mißtrauischen Gesicht. Er stand uns genau gegenüber – breitbeinig –, und seine Daumen steckten in seinem Gürtel. Wir mußten stehenbleiben. Jenny zeigte ihm ihre Papiere – er warf kaum einen Blick darauf und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, beiseitezutreten. Sie erzählte mir nachher, daß er sie gut kannte und ihr sogar oft schon eine ,A’-Lizenz vorgeschlagen, sie ihn aber abgewiesen hatte.
    „Und Sie, Mann“, sagte er, „was tun Sie zu dieser Zeit hier auf der Straße?“
    Er hatte natürlich vollkommen recht. Es war mitten in der Arbeitszeit, und wenn da ein Bürger ziellos in den Straßen umherstrolchte, mußte er darauf gefaßt sein, deshalb zur Rede gestellt zu werden.
    Der Staat war noch knapp an Arbeitskräften – trotz Gesundheitsministerium. Bevor ich die Expedition unternahm und zur Insel ging, war ich es nicht anders gewöhnt, und all die Dinge hatten mir nichts ausgemacht. Jetzt aber, ganz plötzlich, fühlte ich eine rasende Wut in mir aufsteigen. Sie erschreckte mich – ich kannte mich seit meiner Rückkehr selbst nicht mehr. Irgend etwas mußte man auch von meinem Gesicht abgelesen haben, denn ich sah, wie der Mann einem anderen Moralbeamten winkte, der gerade aus einer Seitenstraße kam. Ich beherrschte meine Stimme.
    „Ich habe einen Urlaubstag“, sagte ich zu ihm. Der zweite Beamte stellte sich genau hinter mir auf.
    „Sie waren nach der vorgeschriebenen Essenszeit im Restaurant?“
    „Nein. Ich wohne hier in diesem Haus.“
    „War er im Restaurant?“ Mit dieser Frage wandte sich der Beamte barsch an Jenny, um zu versuchen, aus ihr die Wahrheit herauszuholen.
    Ihre Augen weiteten sich. „Nein“, antwortete sie, „ich habe ihn vorher noch nie gesehen. Er kam gerade hinter mir aus der Tür.“
    „Zeigen Sie mir Ihre Papiere!“
    Ich reichte sie ihm zusammen mit dem Befehl, mich bei Schultz zu melden. Schultz war ein hoher Beamter des Moralministeriums, und ich wußte, daß sein Name Eindruck machen würde, obgleich ich den Mann noch gar
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