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TS 16: Einer von Dreihundert

TS 16: Einer von Dreihundert

Titel: TS 16: Einer von Dreihundert
Autoren: J. T. McIntosh
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wüßte ich, was richtig ist. Was für eine teuflische Situation …“
    Er unterbrach sich plötzlich, als wir oben einen Kopf auftauchen und wieder verschwinden sahen.
    Die Grube war jetzt so tief, daß wir oben sehr wenig erkennen konnten. Nur wenn jemand dicht an dem knapp brusthohen Geländer stand, konnten wir seinen Kopf und seine Schultern und durch die Öffnungen des Steingitters auch seine Beine sehen.
    „Es ist ein verrückter Plan“, murmelte Sammy. „Ritchie weiß, daß jeder ihn haßt und fürchtet. Er weiß, daß Aileen seinen Tod wünscht. Er wird doch nicht so dumm sein und …“
    „Seht doch!“ schrie Leslie.
    Sammy schien recht zu haben. Wir sahen zwei Männer und ein Mädchen am Gitter miteinander ringen. Wir wußten nicht, was schiefgegangen war.
    Jedenfalls war ihr Plan vereitelt. Ritchie zu überraschen, wäre ihre einzige Chance gewesen.
    „Ich gehe ‘rauf“, sagte Sammy verzweifelt.
    „Warte!“ sagte ich.
    Vielleicht vergaßen die beiden Männer dort oben, daß hier auf dem Mars Aileens Kraft genügte, um sie beide über das Gitter zu schleudern?
    Sich in Morgans Umschlingung windend, stieß sie mit einem Fuß zu. Ritchie flog einen halben Meter hoch in die Luft und prallte rückwärts gegen das Geländer, wobei er sich wahrscheinlich die Wirbelsäule brach. Seine Beine flogen in die Höhe, und er überschlug sich. Wir waren nicht imstande, unsere Blicke von ihm zu wenden, und es wurde uns übel, als er unten aufschlug. Als wir wieder nach oben sahen, preßten Morgans Hände Aileens Kehle zusammen. Er blieb Ritchie treu bis zum Ende. Ritchie zu rächen, war ihm wichtiger, als Aileen zu besitzen.
    Mit einer geschickten Bewegung hintenüber hob Aileen Morgans Füße vom Boden. Sie hatte wohl ihre ganze Kraft in diese Bewegung gelegt. Morgan segelte brüllend über das Gitter.
    Sie fiel natürlich auch.
    Sammy stöhnte. Ich wußte, was er dachte. Er hatte zwei Frauen verloren, die er liebte, eine auf der Erde und eine auf dem Mars.
    Da hörten wir von oben einen schwachen Ruf. Wir blickten auf. Leslie beschattete ihre Augen, um besser sehen zu können.
    „Ich glaube, das ist Aileen!“ schrie sie.
    „Ja, wer hat denn dann …?“ begann ich.
    „Es ist wirklich Aileen!“ brüllte Sammy.
    Wir winkten ihr zu und rannten zu der Stelle, wo Morgan lag. Seine Hände umschlossen immer noch Bettys Hals.
    Über Bettys Beweggründe konnten wir nur Vermutungen anstellen. Anscheinend hatte sie Aileens Vorhaben erraten. Ob Betty schon länger beabsichtigt hatte, Morgan zu töten, oder in einem plötzlichen Anfall von Raserei gehandelt hatte, war nicht mehr zu ermitteln. Jedenfalls hatte sie Aileen unter einem Vorwand in die Wohnung geschickt, und als Aileen zurückkam, war niemand mehr auf dem Dach.
    Als wir später versuchten, den Vorfall zu rekonstruieren, fanden wir es ironisch, daß Ritchie wahrscheinlich versucht hatte, Betty vor Morgan zu schützen, als sie nach ihm trat. Betty mußte Morgan angegriffen haben. Für Ritchie war das sicher nur ein Grund zur Belustigung gewesen. Er mußte versucht haben, sie aus Morgans Umschlingung zu befreien. Und dabei hatte Betty ihn über das Geländer gestoßen.
    Aber das waren nur Mutmaßungen. Aileen hatte töten wollen und hatte es nicht zu tun brauchen.
    Nach Ritchies Ende wurde der Fortschritt auf dem Mars stetiger, sicherer und sauberer. Ritchie hatte keinen Nachfolger. Nachdem er tot war, sprach man offen über ihn und seine Taten.
    Mit Aileen und ohne Morgan war meine Gruppe nun endlich das, was sie immer hätte sein sollen, eine Gruppe von Menschen, die sich gern hatten, die sich verstanden und dieselben Ansichten vertraten.
    „Natürlich“, sagte Sammy, „das ist alles erst ein Anfang. Denkt mal, was wir im letzten Jahr alles durchgemacht haben. Seid mal überaus optimistisch und stellt euch vor, das nächste Jahr wird nur halb so schlimm …“
    Leslie fiel ein: „Aileen, sag ihm um Gottes willen, er soll still sein. Wenn Sammy auf diese Weise überaus optimistisch ist, möchte ich am liebsten in eine dunkle Ecke gehen und mir die Kehle durchschneiden.“
    „Ich bin wirklich überaus optimistisch“, beharrte Sammy. „Aber wenn ihr alles durch die rosige Brille sehen wollt, will ich euch nicht daran hindern.“
    „Ich tue es jedenfalls nicht“, sagte Aileen ruhig. „Es gibt niemals ein Ende, Sammy, das wissen wir alle. Aber es gibt Wendepunkte, und später, wenn wir zurückblicken, sehen wir, wie es immer tiefer bergab ging, bis
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