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TS 16: Einer von Dreihundert

TS 16: Einer von Dreihundert

Titel: TS 16: Einer von Dreihundert
Autoren: J. T. McIntosh
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konnte. Denn es wurde kein Hehl daraus gemacht, daß Aileen nur einen Beschützer suchte. Sie fürchtete immer noch, sie würde eines Tages gezwungen werden, Morgan zu nehmen, und sie wollte sich entwerten, wie ein Mann, der sein Hab und Gut verspielt, weil er seine Erben haßt. Sie wollte mit Sammy leben, aber sie sagte ihm – in unserem Zimmer, bevor sie hinausgingen – mit etwas übertriebener Offenheit: „Erwarte bitte nicht, daß ich dich lieben werde, Sammy.“
    „Das macht nichts“, sagte Sammy mit der gleichen Offenheit, „ich glaube auch nicht, daß ich dich lieben werde.“
    Sie lachten. „Na, auf jeden Fall bist du besser als Morgan“, bemerkte Aileen.
    „Wenn du nichts Besseres über mich zu sagen hast“, gab Sammy zurück, „dann lasse ich mich scheiden.“
    Vielleicht waren sie draußen unter den Sternen etwas zärtlicher. Als sie gegangen waren, gestattete ich mir, mich für einen Moment im Geiste an Sammys Stelle zu versetzen …
    „Ist es schön?“ fragte Leslie bissig. Ich bin wohl nicht der erste Mann, der feststellt, daß seine Frau Gedanken lesen kann.
    „Ich dachte nur gerade“, sagte ich, „daß du mir im großen und ganzen doch lieber bist. Soll ich dir sagen, warum?“
    „Ja, bitte“, sagte Leslie.
    Später sagte sie: „Eigentlich haben sie beide großes Glück gehabt. Ich weiß nicht, warum man sie beide so lange ledig bleiben ließ, bis wir auf die Idee kamen, ihre Nasen aneinanderzureihen. Wenn sie sich auch kaum kennen. Du hast ja auch immer behauptet, du liebtest mich nicht, nicht wahr?“
    „Das war“, antwortete ich, „als ich noch ein junger Esel war.“
    Aileen bestand darauf, Sammys Namen zu führen. „Hoggan gefällt mir zwar nicht besonders“, sagte sie, „aber doch bedeutend besser als Ritchie.“ Zu ihrem Vater sagte sie nur noch Ritchie.
    Es war das erste Mal, daß sie in aller Öffentlichkeit zugab, wie sie über ihren Vater dachte. Wir gingen nicht weiter darauf ein, denn sie wollte anscheinend nicht darüber sprechen.
    Aber sie mußte in Gruppe 92 bleiben. Ritchie war ihr GL und hatte als solcher große Macht – ganz abgesehen von den zusätzlichen Beziehungen, die er spielen lassen konnte. Offenbar äußerte er überhaupt nichts über Sammy – keinen Kommentar, keinen Glückwunsch, keinen Protest. Er ignorierte einfach die ganze Angelegenheit.

 
19. Kapitel
     
    Nicht ohne Grund hatte Leslie damals gesagt, es stünde immer etwas Schlimmeres bevor. Kaum hatte man einen Berg überwunden, so tauchte schon wieder der nächste auf …
    Doch konnten wir ja eigentlich nicht mit unserem Schicksal hadern, denn wir hätten über alle diese Berge im voraus Bescheid wissen sollen. Nur weil wir nicht darüber nachgedacht hatten, war alles neu und überraschend – nicht, weil wir es nicht hätten wissen können.
    Wir hätten auch im voraus wissen können, daß die Morde geschehen würden. Wie leicht es war, in unserer Ansiedlung einen Menschen zu ermorden, wurde uns in einer kurzen, schrecklichen Woche bewiesen.
    Am Montag abend wurde Gregor Wolkoff, ein Mitglied der Gruppe 67, vor dem Haupteingang des Junggesellenheims erstochen aufgefunden. Natürlich war die Aufregung und Empörung groß, aber niemand empfand Furcht. Offenbar hatte der Mörder im Affekt gehandelt und würde bald entdeckt werden.
    Ja, viele, mit denen ich sprach, wunderten sich hauptsächlich über die große Torheit des Täters. Wie konnte er auch nur für einen Moment hoffen, unerkannt zu bleiben in einem Ort, wo 20000 Menschen zusammengepfercht waren, die auf das geringste Zeichen der Schuld lauerten?
    Ein Grund, weshalb Wolkoffs Tod so leicht genommen wurde, lag darin, daß wir an ihm nicht viel verloren. Manche allerdings waren über die Tatsache des Mordes an sich entsetzt – etwas, was wir doch alle glaubten, hinter uns gelassen zu haben. Aber wer Wolkoff gekannt hatte, zuckte zumeist die Achseln und sagte, er sei zu allem fähig gewesen und habe wahrscheinlich seinen Mörder sehr stark provoziert. Vielleicht hatte der in Notwehr gehandelt. Wie kam es dann aber, so fragten wir uns, daß er von hinten erstochen worden war?
    Die Stimmung änderte sich gründlich, als am Mittwoch abend Jean Martine im Schatten der Raumschiffe mit einer ähnlichen Stichwunde tot aufgefunden wurde.
    Jean Martine war kein Mitglied einer Rettungsschiffmannschaft, sondern er war dritter Navigator in einem der großen Raumschiffe gewesen. Er war ein völlig anderer Typ als Wolkoff, jung, beliebt, gut
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