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TS 16: Einer von Dreihundert

TS 16: Einer von Dreihundert

Titel: TS 16: Einer von Dreihundert
Autoren: J. T. McIntosh
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aussehend, und niemand wußte irgend etwas Nachteiliges über ihn zu sagen. Er hatte eine Freundin gehabt, aber keine sonstigen Liebesaffären.
    Bald nach der Nachricht von dem zweiten Mordfall kam Aileen in unser Zimmer gestürzt, atemlos, in wilder Erregung und hysterisch vor Angst.
    „Ritchie steckt dahinter“, keuchte sie. „Was soll ich machen?“
    Es dauerte eine Weile, bis sie zusammenhängend sprechen konnte.
    „Ihr denkt, ich bin verrückt“, sagte sie. „Ihr kennt Ritchie nicht. Ich kenne ihn.“
    „Woher weißt du, daß er etwas damit zu tun hat?“ fragte ich.
    „Weil ich ihn kenne“, sagte sie bitter.
    Wenn Menschen hysterisch sind, besonders Frauen, gibt man eigenartigerweise nichts darauf, was sie sagen, selbst wenn man genau weiß, daß sie, wie Aileen, sonst nicht zur Hysterie neigen. Wir beruhigten sie, und wenn wir dabei zugaben, daß sie wahrscheinlich recht hatte, so geschah es hauptsächlich aus Zweckmäßigkeitsgründen.
    Zwei Tage später sagte jeder, daß Ritchie hinter allen drei Morden steckte.
    Der dritte Fall hatte den Beweis erbracht. Das Opfer war GL Venters, ein bekannter Gegner Ritchies, den er niemals hatte zu sich herüberziehen oder ducken können. Und plötzlich wurde es klar, daß alle drei Morde zu einem Plan gehörten und daß Ritchie diesen Plan geschmiedet hatte. Nun erinnerte man sich auch, daß Ritchie und Wolkoff viel zusammen gesehen worden waren und daß Martine starke Äußerungen gegen Ritchie getan hatte. Es wurde darauf hingewiesen, daß Ritchie sich zwar für alle drei Fälle ein Alibi verschafft hatte, daß aber Morgan Smith, der als sein Verbündeter bekannt war, überhaupt kein Alibi hatte.
    Ich hatte mich also geirrt. Ritchie war ein Mörder. Aileen hatte wahrscheinlich allen Grund, ihn zu hassen.
    Wenigstens gestand ich mir nun offen und ehrlich ein, daß ich einen Fehler gemacht hatte, und gewann ein ganz neues Bild von Ritchie, Aileen und Winant.
    Es war kein schönes Bild.
    Manche wollten Ritchie und Morgan ohne Gerichtsurteil erhängen. Hätte ich darüber zu bestimmen gehabt, so hätte ich sie gewähren lassen. Immerhin bestand eine Wahrscheinlichkeit von 65%, daß Morgan und Ritchie gemeinsam alle drei Morde begangen hatten, und das genügte. Selbst wenn wir die Falschen erwischten, würde das schnelle, scharfe Einschreiten die wirklichen Mörder für lange Zeit ruhig halten. Es war nicht die Gerechtigkeit der Zivilisation, sondern eine Frage der Hilfe in der Not.
    Da wir aber eine große Zahl anständiger, rechtlich denkender Menschen unter uns hatten, wurde dagegen leider ein Veto eingelegt. Die Rechtsprechung auf dem Mars durfte nicht mit einer Hinrichtung ohne Urteil beginnen.
    „Ich wußte, daß es so kommen würde“, sagte Aileen apathisch. „Warum sehen denn die Leute nicht ein, daß das Gesetz nicht das Verbrechen verhindert, sondern es einem klugen Mann sogar noch erleichtert?“
    Morgan und Ritchie kamen vor Gericht und wurden der drei Morde angeklagt. Wenn es dabei den Anschein hatte, als ob sie schuldig seien, so lag das an ihrem eigenen Verhalten.
    „Sie können uns nichts vorwerfen“, sagte Ritchie freundlich, „und wir haben nichts abzuleugnen außer dem Mord an diesen drei Männern. Ich kann nicht für Morgan Smith sprechen; ich kann nur von mir selber sagen, daß ich keinen von diesen drei Männern getötet habe, und das wissen Sie. Ich sehe nicht ein, weshalb ich leugnen soll, Smith zu einem Verbrechen angestiftet zu haben, das ihm niemand nachweisen kann.“
    „Warum soll es denn gerade ich gewesen sein?“ fragte Morgan böse. „Ich bin nur einer von etwa fünftausend Leuten, die diesen drei Burschen ein Messer in den Rücken gerannt haben können. Wollen Sie jeden hängen, der nicht beweisen kann, daß er es nicht war?“
    Das war alles. Wir hatten keine Zeugen und erst recht keine Beweise. Wir konnten sie nur freilassen. Wir hatten zwar nicht Morgans Unschuld, aber noch viel weniger seine Schuld bewiesen.
    Sehr bald stellte es sich heraus, daß wir Ritchie in die Hände gespielt hatten. Es war nun allgemein bekannt, daß er und Morgan Mörder waren und daß niemand etwas dagegen tun konnte. Die Drohungen, die er ausstieß, waren fast unverhüllt. Seine Macht wuchs und wuchs.
    Als ich ernstlich versuchte, Aileen nach Gruppe 94 versetzen zu lassen, wurde mir klar, was Ritchie tun konnte, wenn er wollte.
    Leslies Kind, ein kleines Mädchen, wurde geboren. Wir nannten es Patricia. Der Name war Leslies Idee, nicht die
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