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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt
Autoren: Patricia Cornwell
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weil das Atmen so schwerfiel. Ich saugte, so gut ich konnte, Luft ein, während ich durch das Plastik auf diese beiden Taucher spähte, denen ich gerade mein Leben anvertraut hatte. »Zwei Rettungsmänner sind in einem Boot und überwachen uns mit einem Energieumwandler, der ins Wasser gelassen wird. Alles, was Sie sagen, wird von allen gehört, die an der Oberfläche lauschen. Haben Sie verstanden?« Ki Soo sah mich an, und ich wußte, daß ich gerade eine Warnung erhalten hatte. Ich nickte. Mein Atem klang laut und angestrengt in meinen Ohren.
    »Wollen Sie jetzt Ihre Flossen anziehen?« Ich schüttelte den Kopf und deutete aufs Wasser. »Dann gehen Sie erst rein, und ich werfe sie Ihnen zu.« Mit mindestens achtzig Pfund mehr Gewicht als vorher bewegte ich mich vorsichtig an den Rand der Tauchplattform und überprüfte noch einmal den Sitz meiner Maske am Kopfteil. Kathodendrähte hingen wie Welsbarten von den riesigen, schlafenden Schiffen, der Wind kräuselte das Wasser. Ich stählte mich für den zermürbendsten Riesenschritt, den ich jemals gemacht hatte. Die Kälte war zuerst ein Schock, und mein Körper brauchte eine Weile, bis er das in meine Gummihaut dringende Wasser erwärmte, als ich meine Taucherflossen anzog. Schlimmer noch war, daß ich meine Computerkonsole und meinen Kompaß nicht sehen konnte. Ich konnte nicht einmal die Hand vor den Augen sehen und verstand erst jetzt, warum es sinnlos war, eine Taschenlampe mitzunehmen. Das schwebende Sediment schluckte das Licht wie ein Löschblatt und zwang mich, häufig aufzutauchen, um mich zu orten, als ich auf den Fleck zuschwamm, wo der Schlauch vom Kahn wegführte und im Fluß verschwand.
    »Tenfour?« Ki Soos Stimme ertönte in dem an meinen Schädelknochen gedrückten Empfangsgerät.
    »Tenfour«. Ich sprach ins Mundstück und versuchte, mich zu entspannen, während ich knapp unter die Oberfläche paddelte. »Sind Sie am Schlauch?« Diesmal sprach Jerod.
    »Ich habe ihn jetzt in den Händen.« Er kam mir seltsam straff vor, und ich achtete darauf, ihn so wenig wie möglich zu verändern.
    »Folgen Sie ihm nach unten. Vielleicht zehn Meter. Er sollte direkt über dem Grund schweben.«
    Ich begann meinen Abstieg und hielt in Abständen inne, um den Druck in den Ohren auszugleichen, während ich versuchte, nicht in Panik zu geraten. Ich konnte nichts sehen. Mein Herz klopfte, als ich mit aller Willenskraft versuchte, mich zu entspannen und tief durchzuatmen. Einen Augenblick hielt ich an und schwebte, während ich meine Augen schloß und langsam atmete. Ich folgte weiter dem Schlauch, doch dann bekam ich es wieder mit der Angst zu tun, als ein dickes, rostiges Kabel plötzlich vor mir auftauchte.
    Ich versuchte, darunter durchzutauchen, aber ich konnte nicht sehen, wo es herkam und wo es hinführte, und außerdem trieb ich mehr ab, als mir lieb war, und hätte mehr Gewicht in meinem Gürtel oder in den Taschen meiner Weste brauchen können. Das Kabel erwischte mich von hinten, stieß hart an mein Sperrventil. Ich spürte ein Ziehen an meinem Lungenautomaten, als würde mich jemand von hinten packen, und der gelockerte Tank glitt an meinem Rücken hinab und zog mich mit sich. Ich riß die Klettverschlüsse meiner Weste auf und entledigte mich ihrer rasch, während ich versuchte, mich nur auf das zu konzentrieren, was ich für so einen Fall zu tun gelernt hatte.
    »Tenfour?« ertönte Ki Soos Stimme in meiner Maske. »Technisches Problem«, sagte ich.
    Ich bugsierte den Tank zwischen meine Beine, so daß ich auf ihm treiben konnte, als ritte ich im kalten, dunklen All auf einer Rakete. Ich brachte die Gurte wieder an und bekämpfte meine Angst.
    »Brauchen Sie Hilfe?«
    »Nein. Muß auf Kabel aufpassen«, sagte ich.
    »Sie müssen auf alles mögliche aufpassen«, hörte ich wieder seine Stimme.
    Es kam mir in den Sinn, daß es viele Arten gab, hier unten zu sterben, während ich mit den Armen in die Weste schlüpfte. Ich machte eine Rolle rückwärts und klinkte mich wieder fest ein.
    »Tenfour?« ertönte wieder Ki Soos Stimme. »Tenfour. Es gibt Unterbrechungen.«
    »Zu viele Interferenzen. All die großen Kähne. Wir sin d gleich hinter Ihnen. Sollen wir näher kommen?«
    »Noch nicht«, sagte ich.
    Sie hielten klug Abstand, weil Sie wußten, daß ich die Leiche sehen wollte, ohne abgelenkt oder gestört zu werden. Wir mußten einander nicht ins Gehege kommen. Langsam ließ ich mich tiefer sinken, und schon beinahe am Grund erkannte ich, daß der
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