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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger
Autoren: Wulf Dorn
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fürchtete, die namenlose Patientin könnte sich dasselbe antun wie Margitta Stein.
    Eine innere Stimme, die sich ganz wie die von Chris anhörte, schien Ellen das zu bestätigen. Dieses Mal trägst du die Verantwortung für ein Menschenleben.
    »Hier wird er Sie nicht finden«, versicherte sie. »Hier sind Sie in Sicherheit.«
    Im gleichen Moment meldete sich ihr Piepser. Die Frau in der Ecke und auch Ellen fuhren erschocken zusammen.
    Dieses verdammte Mistding!
    Die Klinikvorschriften erlaubten ihr nicht, den Piepser abzustellen, solange sie im Dienst war. Selbst während Patientengesprächen musste sie in Notfällen für Kollegen und das Pflegepersonal erreichbar sein. Ein weiterer Grund, weshalb sie dieses Plastikmonster so hasste.

    Ellen griff sofort nach dem Ausschalter, während die Frau eine Reihe kurzer spitzer Schreie ausstieß.
    »Alles in Ordnung«, versicherte ihr Ellen schnell. »Es ist alles in Ordnung. Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Das bedeutet nur, dass ich kurz gehen muss. Ich komme aber gleich wieder zu Ihnen zurück.«
    »Nein, nicht gehen! Lass mich nicht allein. Bitte!«
    »Es ist wirklich nur für kurz.«
    »Aber dann kommt er durch die Tür!«
    »Der Schwarze Mann?«
    »Ja.«
    »Nein, das wird er bestimmt nicht. Er kann hier nicht herein. Und ich bin gleich zurück, ganz sicher.«
    Die Frau verstummte und drückte sich noch enger an die Wand, als Ellen sich vorsichtig erhob. Sie mied jede schnelle Bewegung, die sonst möglicherweise als eine Bedrohung hätte missverstanden werden können.
    Vom Flur drangen Stimmengewirr und das Durcheinander von Schritten bis in das Zimmer. Was, um alles in der Welt, war da nur los?
    »Es dauert wirklich nicht lange.«
    Die Frau reagierte nicht, sondern sah zu Ellen auf, wobei ihre Pupillen derart geweitet waren, dass sie wie schwarze Glasmurmeln aussahen.
    Sie erinnerten Ellen an Kinderpuppen, die einen mit großen Kulleraugen anstarrten und denen manchmal eine Plastikträne auf die Wange geklebt war. Ein Anblick, der bei den meisten Menschen eine Art Beschützerinstinkt auslöst. Darin bestand das Geheimnis des Verkaufserfolgs dieser Puppen. Der Kunde erlag dem Drang, sie mitzunehmen – heim, in die eigenen vier Wände, wo sie vor der bösen
Welt in Sicherheit waren. Und genau diesen Instinkt fühlte Ellen nun in sich geweckt, auch wenn es sich weder um eine Puppe noch um Tränen aus glasähnlichem Plastik handelte.
    Aber da stand noch etwas in diesem Blick. Ellen deutete es als den Ausdruck, den Menschen im Gesicht haben, wenn sie dem sicheren Tod mit knapper Not entronnen sind.
    Es fiel ihr schwer, dieses verängstigte Wesen mit der kindlichen Stimme, das die Hölle hinter sich gebracht haben musste, allein in dem dunklen Raum zurückzulassen. Doch als der Lärm auf dem Gang lauter wurde und sie das kleine schwarze Plastikungeheuer durch sein erneutes Biiiep Biiieeep an ihre ärztliche Pflicht erinnerte, gelang es ihr, sich von diesem Blick zu lösen.
    Ellen war gerade bis zur Tür gekommen, als sie hinter sich ein Rascheln hörte. Sie sah sich um und wurde im nächsten Moment gegen die Wand geschmettert.
    Ellen schlug mit der Schulter gegen einen Bilderrahmen. Das Bild – es zeigte einen Schutzengel, der wohlwollend auf ein betendes Kind mit blonden Locken herabsah – fiel zu Boden. Für einen Sekundenbruchteil erwartete Ellen, Glas splittern zu hören, aber die Bilder auf geschlossenen Stationen waren nicht hinter Glas gefasst. Die Gefahr, dass sich jemand mit einem Splitter selbst verletzen könnte, war zu groß.
    Das Gesicht der Frau war nur wenige Zentimeter von Ellens entfernt. Ellen spürte eine gewaltige Kraft in den Händen, die ihre Oberarme umklammert hielten. Es war der Griff eines vor Angst völlig verzweifelten Menschen, und er tat höllisch weh.

    »Wenn er kommt, musst du davonlaufen«, zischte ihr die Frau zu. Ihr Mundgeruch war übelkeiterregend. Ellen musste an Maden in einem verwesenden Hundemaul denken – was für eine absurde Assoziation - und all ihre Selbstbeherrschung aufwenden, sich nicht zu übergeben. Vor allem aber musste sie sich beherrschen, nicht laut loszuschreien. Zumindest noch nicht gleich.
    »Versprich, mich zu beschützen, wenn er mich holen kommt!«
    Die Stimme der Frau war eindringlich, aber noch immer gedämpft, so als habe sie Angst, ihr Peiniger könne sie hören. Sie sah Ellen furchtsam an, drängte sich noch fester gegen sie und wartete auf ihre Antwort.
    Ellen zögerte. Heute Morgen auf dem Weg zum
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