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Trias

Titel: Trias
Autoren: Marc Kayser
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ROK-Aktionen war ihr deutlich anmerken. Ihre Augen blitzten, ihre Stimme überschlug sich. Sie sprach von »subversiven Angriffen auf das demokratische Zusammenleben« und bemühte dabei auch Begriffe wie »Aushöhlung der Errungenschaften des Rechtsstaates«, »Sabotage« und »organisierte Verschwörung Einzelner«.
    Mit einer Hand schleuderte sie den Stapel mit den Analysen beiseite und sah mit kämpferischem Ausdruck auf ihre Gegenüber. Ihre Augenbrauen besuchten ihre Stirn.
    »Wenn Deutschland in den nächsten Monaten nicht die Kurve kriegt, versinken wir in einem Chaos, ähnlich dem in Frankreich und Holland. Wollen wir das? Wollen wir, dass Deutschland brennt? Also müssen wir die ROK möglichst neutralisieren und damit unwirksam machen. Gibt es Vorschläge?«
    Statt einer Antwort flog die Tür ihres Arbeitszimmers auf. Der Büroleiter der Bundeskanzlerin, ein Mann von Ende vierzig, in vielen Krisen erfahren, sah mit entsetztem Gesichtsausdruck auf das politische Führungstrio. Er durchbrach jäh die angespannte Situation mit einem Satzgetöse ohne Vorwort.
    »Entschuldigen Sie meine Störung, doch es gab ein Attentat auf Staatssekretär Rumpf. Und über Sibirien ist der stellvertretende Außenminister Viktor Kirijenko abgestürzt. Ich habe hier einen ersten Lagebericht.«
    Kanzlerin Sprado erstarrte. Sie saß aufrecht auf ihrem Chefstuhl wie eine Statue aus Bronze. Ihr erster Gedanke war: Was würde passieren, wenn die Ermittlungen zu den Attentätern ans Licht brächten, was die Vereinigten Staaten von Amerika, Deutschland und Russland seit Monaten so sorgsam hüteten wie Geheimdienste ihre Aufklärungsmethoden?
    »Geben Sie ihn mir!«, herrschte sie den Mann an.
    Sie überflog den Bericht in aller Eile. Als sie aufsah, waren ihre Augen vollkommen leer und ihr Gesicht so weiß und kalt wie Marmor. Sie warf den Lagebericht auf den Tisch, sprang auf und gab ihrem Stuhl einen bösen Tritt.
    »Sind Verfassungsschutz und BND informiert?«
    Ihr Büroleiter nickte stumm.
    »Lassen Sie uns beraten, wie wir darauf reagieren«, fuhr sie in unbeherrschtem Ton ihre Minister an.

5
    Ostseebad Marienstrand, Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, 16:55 Uhr
    Die Sonne versank hinter den Bäumen des Küstenwaldes, die ihre langen Schatten auf die Sandwellen des gräulich leuchtenden Strandes warfen. Wilde Gischt und scharfe Novemberwinde hatten die Steilküste wie die Hand eines Bildhauers ausgeformt.
    Hier war erst kürzlich das mondäne Hotel Albatros aus Ruinen auferstanden. Es gehörte zu einem Ensemble aus klassizistischen Villen und dem Hotel Storch , die noch bis vor einigen Monaten restlos vom Seewetter geschliffen waren. Wasserflecken am Mauerwerk, zerborstene Fensterrahmen und zerbrochene Scheiben hatten für lange Zeit das jammervolle Bild bestimmt. Doch seit ein privater Investor insgesamt 250 Millionen Euro für die Sanierung des maroden Seebades aufgebracht hatte, war Marienstrand zu einem ansehnlichen Tagungsort geworden.
    Nun würden die Regierungschefs der reichsten und mächtigsten Industrieländer der Welt - die G8 - hier in wenigen Wochen ihr alljährliches Gipfeltreffen abhalten. Der frühere Kurort gelangte nicht ganz zufällig zu dieser Ehre: Zur Freude der Geheimdienste aller teilnehmenden Großmächte war der Ort von Land, See und aus der Luft viel effektiver und hermetischer abzuriegeln als eine Großstadt.
    Störer sollten draußen bleiben. Ein zweites München oder Genua sollte es nicht wieder geben. Soldaten waren dabei, einen mehr als drei Meter hohen und etwa 15 Kilometer langen Sperrzaun zu errichten, der sich wie eine Zange um dieses schöne Fleckchen Erde legen würde. Passierscheine für die Bewohner des Dorfes hinter dem Strand waren bereits in den Druck gegangen. Die Sicherheitsbehörden wollten nichts dem Zufall überlassen.
     
    Im dritten Stock des Grandhotels Albatros saß ein sportlich wirkender Mann in einem einfachen weißen T-Shirt und blauen Jeans an einem mit Intarsien verzierten Schreibtisch. Er reinigte seine Waffe, eine schwarze Sig Sauer P 200. Eine Routinearbeit.
    Sein Name war Markus Croy. Er war ein achtunddreißig Jahre alter Kriminalbeamter, dessen Karriere vor zehn Jahren beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden begonnen und der es mittlerweile zum Kriminaldirektor in der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz in Berlin gebracht hatte. Er hielt den Kopf gesenkt, während er die Waffe besah. Einzelne Strähnen seines weizenblonden Haares fielen ihm über die Stirn und Augen. Kurz
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