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Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Titel: Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
Autoren: Jessica Brody
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lag. Tatsächlich sind Lügen mindestens genauso destruktiv.
    Pech für Hannah, wenn es Dinge gab, für die sie noch nicht alt genug war. Pech für mich, wenn ich in ihren Augen nicht mehr die coole Tante war, nur weil ich sie ihr verschwieg.
    Ich sah auf sie hinunter und strich ihr zärtlich lächelnd eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich erzähle dir alles, wenn du älter bist. Okay?«
    Ich wappnete mich für verächtliche Blicke und vorwurfsvolles Gemecker, rechnete damit, dass sie herummaulen und mir vorwerfen würde, ich sei wie ihre Mutter, doch siehe da, sie zuckte die Achseln, murmelte »Meinetwegen«, und damit war die Angelegenheit vergessen.
    Sie eilte zurück ins Wohnzimmer, zum Aufbruch bereit. Ich folgte ihr.
    »Bist du so weit?«, fragte Julia und griff nach Autoschlüssel und Handtasche.
    »Mom«, stöhnte Hannah. »Zum allerletzten Mal, du kannst nicht mitkommen! Wir treffen uns bei Rachel und machen uns dann in ihrer Nachbarschaft auf den Weg.«
    »Ich muss schon sagen, Hannah, für jemanden, der fast schon ›zu alt‹ ist für Halloween, nimmst du die ganze Sache aber ziemlich ernst«, bemerkte Julia.
    Meine Nichte wandte sich zu mir um. »Sie macht mich wahnsinnig«, murmelte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    Ich grinste, dann flüsterte ich: »Nimm’s ihr nicht übel. Sie liebt dich eben sehr.«

    Hannah verzog das Gesicht, drehte sich aber widerstrebend zu ihrer Mutter um. »Also gut, du kannst mich zu Rachel rüberfahren , aber das war’s dann.«
    Julia lächelte und ging kopfschüttelnd zur Tür. »Dann mal los, Hannah Montana.«
    Die Tür fiel ins Schloss. Meine Mutter und ich standen einen Augenblick verlegen herum. Dann ging ich zur Couch, setzte mich und wühlte in der großen Schüssel mit den Süßigkeiten. Hm, lecker, ein Erdnussbutter-Schokoriegel.
    Ich packte ihn schweigend aus, biss hinein und vermied es dabei geflissentlich, Mom anzusehen. Bis auf das Rascheln der Plastikfolie war es still im Raum.
    Ich kaute, sah mich angespannt im Wohnzimmer um. Hier hatte ich meinen Vater beim Ehebruch erwischt. Ehe ich wusste, was das überhaupt war. Ehe ich begriff, was es bedeutete.
    Zum Glück hatte meine Mutter die Couch schon vor Jahren ausgetauscht und sich auch gleich farblich darauf abgestimmte Vorhänge zugelegt. Der Couchtisch war sogar noch neuer als die Couch, der Teppich ebenso. Doch die Schuld war nach wie vor dieselbe.
    Und sie schien auch zu den neuen Möbeln, den neuen Vorhängen und dem neuen Teppich tadellos zu passen.
    »Tut mir leid, dass ich dich neulich am Telefon so aufgeregt habe, Jenny.« Mom setzte sich neben mich, nahm einen Milky-Way-Riegel aus der Schüssel und wickelte ihn aus.
    »Hast du nicht«, sagte ich leise. »Ich meine … ich habe mich nicht deinetwegen aufgeregt. Du hast völlig recht – ich muss lernen, ihm zu vergeben. Ich weiß nur nicht, wie.«
    Als sie die Hand ausstreckte und mir sanft übers Haar fuhr, lehnte ich mich an sie, und die Tränen begannen, zu fließen. Sie schloss mich in die Arme und küsste mich auf den Scheitel.

    Sie konnte nicht ahnen, wie viele Geheimnisse, die ich Zeit meines Lebens für mich behalten hatte, nach draußen drängten. Geheimnisse, deren Offenbarung alles verändert und ihr ein glücklicheres Leben ermöglicht hätte.
    Doch wie immer behielt ich sie für mich. Bis zum nächsten Mal. Vielleicht für immer.
    »Schon gut, Liebes. Alles bestens«, murmelte sie mir ins Ohr und tätschelte mir den Kopf, während ich an ihrer Brust »Es tut mir leid, es tut mir so leid« wimmerte.
    Sie lachte nachsichtig. »Du musst dich doch nicht entschuldigen.«
    »Und ob ich das muss!«, hätte ich am liebsten gerufen. »Ich sollte dich auf Knien um Verzeihung bitten! Ich habe dein Leben ruiniert, also lass mich wenigstens dafür um Verzeihung bitten!«
    Doch ich schmiegte mich lediglich in ihre Arme und trocknete mir die tränennassen Wangen.
    »So sind die Menschen eben«, stellte Mom fest. »Wir machen alle Fehler. Das gehört zum Leben dazu. Dein Vater hat einen Fehler gemacht. Es stimmt, noch einmal würde ich ihn nicht heiraten. Ich könnte ihn nie wieder so lieben, wie ich ihn geliebt habe. Und ich bereue es nicht, dass ich ihn verlassen habe. Aber vom Verlassen allein heilt das Herz noch lange nicht. Dafür muss man schon verzeihen.«
    Ich hob den Kopf und sah sie an. Sie wischte mir eine letzte Träne von der Backe. Woher nahm sie bloß ihre Kraft? War das überhaupt meine Mom? Sie klang eher wie eine Zen-Meisterin,
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