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Traumschlange

Titel: Traumschlange
Autoren: Vonda N. McIntyre
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dir fürchten...«
    Er schwieg dazu; Schlange erbebte. Arevin stützte sie und half ihr, sich im Gras niederzulassen. Sein Haar löste sich; es fiel ihm ums Gesicht, und er sah genauso aus wie beim letzten Mal, als sie ihn gesehen hatte. Er hielt seine Feldflasche an ihre trockenen Lippen, und sie trank laues, mit Wein vermischtes Wasser.
    »Wer hat dir all das zugefügt?« fragte er. »Bist du noch immer bedroht?«
    Sie hatte sich noch gar nicht damit befaßt, was werden sollte, wenn North und seine Anhänger wieder zur Besinnung kamen. »Jetzt nicht, aber vielleicht später, morgen...« Plötzlich versuchte sie sich zu erheben. »Wenn ich einschlafe, werde ich nicht rechtzeitig aufwachen...«
    Er besänftigte sie. »Schlaf nur. Ich halte bis zum Morgen Wache. Dann können wir uns an einen sichereren Ort zurückziehen.«
    Nach seiner Ermutigung hatte sie das Gefühl, sich bedenkenlos ausruhen zu dürfen. Er ließ sie für einen Moment allein, und sie streckte sich im Gras aus, die Finger gespreizt, als hielte die Erde sie fest und gäbe gleichzeitig ein wenig nach. Die Kühlheit der Wiese linderte die wiedergekehrte Empfindlichkeit der Wunde, die der Armbrustbolzen durch ihre Schulter geschlagen hatte. Sie hörte, wie Arevin sich etwas später neben sie kniete, und er senkte ein kühles, feuchtes Tuch auf ihre Schulter, um das geronnene Blut und Fasern ihrer Kleidung zu entfernen. Durch ihre Wimpern beobachtete sie ihn, bewunderte wiederum seine Hände, die Größe seines Körpers. Aber wie zuvor seine Worte, wirkte nun auch seine Berührung gleichgültig.
    »Wie hast du uns gefunden?« fragte sie. »Ich dachte zuerst, du wärst nur eine Traumgestalt.«
    »Ich war in der Niederlassung der Heiler«, sagte er. »Ich fühlte die Verpflichtung, den Versuch zu unternehmen, euren Leuten begreiflich zu machen, was geschehen war, daß mein Klan die Schuld trägt, nicht du.« Er betrachtete sie, dann wandte er seinen Blick bekümmert zur Seite. »Ich glaube, es ist mir mißlungen. Deine Lehrerin sagte nur, daß du heimkommen sollst.«
    Vorhin hatte Arevin gar keine Gelegenheit erhalten, um auf die Dinge einzugehen, die sie äußerte, daß sie von ihm geträumt hatte, ihn liebte. Nun jedoch benahm er sich, als habe sie überhaupt nichts dergleichen gesagt, als habe er, was er getan hatte, nur aus Pflichtgefühl unternommen. Mit einem hohlen Gefühl von Leere und Verlust fragte sich Schlange, ob sie bedauerlicherweise seine Empfindungen mißverstanden haben konnte. Sie hegte kein Interesse an noch mehr Dankbarkeit, noch mehr Schuldgefühlen.
    »Aber du bist hier«, sagte sie. Auf einem Ellbogen stemmte sie sich empor und setzte sich auf, um ihn zu mustern. »Du hättest mir nicht zu folgen brauchen, wenn du lediglich einer Verpflichtung nachgekommen bist, die bei meinem Zuhause endete.«
    Er erwiderte ihren Blick. »Ich... ich habe auch von dir geträumt.« Er beugte sich vor, die Unterarme auf die Knie gestützt, die Hände ausgestreckt. »Ich habe keinem anderen Menschen meinen Namen verraten.« Bedächtig streichelte Schlange, innerlich froh, mit ihrer schmutzigen, zernarbten Linken seine saubere, sonnengebräunte Rechte. Er schaute ihr ins Gesicht. »Nach dem, was geschehen ist...«
    Schlange, die nun noch stärker den Wunsch verspürte, unverletzt zu sein, nahm plötzlich ihre Hand fort und griff in ihre Brusttasche. Das Traumschlangenjunge wickelte sich um ihre Finger. Sie holte es heraus und zeigte es Arevin. Sie nickte hinüber zum Weidenkorb.
    »Darin habe ich noch mehr«, sagte sie, »und ich weiß, wie ich sie zum Brüten bringe.«
    Er betrachtete voller Staunen die kleine Schlange, dann musterte er von neuem sie.
    »Dann hast du also die Stadt erreicht. Und man hat sich mit dir verständigt.«
    »Nein«, sagte Schlange. Sie schaute hinauf zur zerstörten Kuppel. »Dort oben habe ich Traumschlangen entdeckt. Und eine eigene kleine Welt außerirdischer Herkunft, worin sie leben.«
    Sie ließ das Jungtier zurück in die Tasche gleiten. Es begann sich bereits an sie zu gewöhnen; aus ihm konnte eine gute Heilerschlange werden.
    »Die Städter haben mich fortgeschickt, aber sie haben nicht zum letzten Mal eine Heilerin gesehen. Sie sind mir noch immer etwas schuldig.«
    »Auch mein Stamm steht noch in deiner Schuld«, sagte Arevin. »Einer Schuld, die zu begleichen mir mißlungen ist.«
    »Du hast mir geholfen, das Leben meiner Tochter zu retten! Glaubst du, das zählt gar nicht?« Sie beruhigte sich. »Arevin, es wäre
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