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Traumschlange (German Edition)

Traumschlange (German Edition)

Titel: Traumschlange (German Edition)
Autoren: Rainer Wekwerth
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Abby huschte zu Jean zurück. Diesmal presste sie ihm die Hand gleich auf den Mund.
    „Jean, hörst du mich?“, raunte sie ihm zu.
    Seine Lider ruckten nach oben. Endlich zeigte sich so etwas wie Erkennen in seinen Augen.
    „Nicke mit dem Kopf, wenn du mich verstehst.“
    Er bewegte den Kopf langsam auf und ab.
    „Ich nehme jetzt die Hand weg, aber du darfst nicht schreien. Versprich mir das!“
    Er nickte erneut. Vorsichtig löste Abby den Griff.
    „Abby“, sagte Jean. Er klang wie ein kleines Kind, das seine Mutter im Kaufhaus verloren und wieder gefunden hatte.
    „Ja, ich bin hier.“
    „Abby“, wiederholte er.
    „Ja, Jean. Ich bin es.“
    „Abby“, sagte er zum dritten Mal. Seine Intonation blieb gleich. Wie eine hängende Schallplatte wiederholte er ihren Namen.
    „Kannst du aufstehen?“, fragte sie ihn.
    „Abby.“
    Abby fasste ihn unter den Armen und versuchte, ihn auf die Beine zu ziehen. Es war aussichtslos. Sein schlaffer Körper wog eine Tonne. So kam sie nicht weiter. Keuchend ließ sie ihn zurück auf die Liege sinken.
    Was mache ich bloß? Ihre Gedanken jagten umher, während Jean immer und immer wieder ihren Namen aussprach.
    Salz!
    Mitch Stanwill hatte ihr erzählt, dass die Zombies ihr Bewusstsein wiedererlangten, wenn man ihnen Salz gab. Aber wo sollte sie jetzt Salz herbekommen?
    Das kleine Haus am hinteren Ende des Hofes fiel ihr ein. Rauch war aus dem Schornstein gestiegen. Da dort tagsüber bestimmt nicht geheizt wurde, konnte es sich nur um die Küche der Farm handeln. Dort würde sie Salz finden.
    Abby beugte sich zu Jean hinab. „Ich gehe kurz weg, aber ich bin sofort wieder zurück. Du bleibst hier. Sei leise. Sprich nicht.“
    „Abby.“
    „Nein, du darfst meinen Namen nicht mehr sagen“, befahl sie. Er setzte erneut an, schwieg dann aber doch. Anscheinend war er in der Lage, einfache Anordnung zu befolgen. Abby schöpfte Hoffnung.
    Sekunden später hatte sie Baracke verlassen und hetzte zum Küchenhaus hinüber.
     
     
    Als Abby zurückkam, lag Jean auf dem Bett. Zuerst dachte sie, er wäre wieder eingeschlafen, aber dann entdeckte sie, dass seine Augen weit offen standen.
    „Da bin ich wieder.“
    „Abby.“
    „Mach den Mund auf.“ Sie hatte Salz in einem alten Tonkrug zwischen all den anderen Gewürzen gefunden, die im Küchenhaus lagerten.
    Jean verstand ihre Anordnung nicht. Sie zog seinen Kopf an den Haaren in den Nacken und presste mit der linken Hand seine Lippen auseinander. Aus ihrer Jackentasche nahm sie eine Handvoll Salz und ließ es in seinen Mund träufeln. Jean verzog das Gesicht, aber dann schluckte er mehrfach hintereinander. Da Abby nicht wusste, wie viel Salz sinnvoll war, gab sie ihm alles. Schließlich klappte sie seinen Mund wieder zu, fasste mit beiden Händen sein Gesicht und sah ihn an.
    „Abby“, sagte er glücklich.
    Scheiße, dachte sie.
    „Abby...“
    Warum wirkt...
    „...was machst du hier?“
    Abby zuckte zusammen. Ihre Augen fixierten seinen Blick. Sie hatte den Eindruck, er war bei vollem Bewusstsein, aber dieser Eindruck konnte täuschen.
    „Jean, verstehst du mich?“
    „Ja.“
    „Wer bin ich?“
    „Abby.“
    „Sag meinen vollen Namen!“
    „Abby Summers.“
    „Und wie ist dein voller Name?“
    Sie konnte sehen, wie er die Stirn runzelte. „Weiß ich nicht. Wie ist mein Name?“
    O Gott, verzweifelte Abby. Er hat vergessen, wer er ist!
    „Du heißt Jean Mitchard.“
    „Jean Mitchard“, wiederholte er. „Ja, das ist mein Name.“
    „Du bist Arzt von Beruf.“
    „Arzt?“, fragte er verblüfft.
    „Ja, Arzt“, meinte Abby ungeduldig. „Aber das ist jetzt egal. Wir müssen hier weg. Komm mit!“
    Sie fasste nach seiner Hand. Jean erhob sich unendlich langsam. Seine Knie zitterten, als er endlich stand. Abby konnte die Bewegung spüren.
    „Sei leise.“
    „Ja.“
    „Komm!“
     
     
    27. Durst
     
     
    Abby kauerte mit Jean im Schatten der Baracke und überdachte ihre nächsten Schritte. Sie hatte Mitchard gefunden und befreit, aber ab jetzt würde er eine Last für sie sein. Jean war in der Lage, einfachen Befehlen Folge zu leisten, in ein Haus einzubrechen, ohne dabei Geräusche zu verursachen, überstieg seine derzeitigen Fähigkeiten bei weitem. Ihn allein zu lassen, war auch gefährlich. Wer konnte wissen, was er als nächstes tat, wenn man ihn nicht beaufsichtigte. Abby steckte in der Zwickmühle.
    Fünf Minuten lang wog sie alle Möglichkeiten ab, doch es gab keine Lösung. So oder so würde sie ein Risiko
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