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Trauerspiel

Trauerspiel

Titel: Trauerspiel
Autoren: Vera Bleibtreu
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möglich gewesen war, diesen Menschen sympathisch zu finden und es ihr nun gelingen sollte, ihren selbstgestellten Auftrag zu Ende zu führen. Doch es musste sein. «Die Nichte hat ein sonniges Gemüt, doch das kann sich ja ändern. Plötzlich geschehen Dinge, die sie belasten. Ungewollt richtet sie großen Schaden an. Ein Lehrer wird der Schule verwiesen und nimmt sich das Leben, ein wertvolles Feld geht in Flammen auf, eine Sängerin verdächtigt sie des Ehebruchs mit ihrem Mann, die Ehe steht deshalb auf der Kippe, wahrscheinlich passiert noch mehr, nicht alles ist bekannt. Die Rechnung geht auf, das Mädchen wird unglücklich, verändert sich im Wesen.»
    «Wie schade um so eine junge Psyche», Berger nickte bedauernd mit dem Kopf, «doch was will man machen, junge Menschen sind eben sensibel.»
    Susanne schaute ihr Gegenüber prüfend an. «Dieser Plan soll übrigens auch bei einer Pfarrerin greifen. Als Journalist kann unser Mann ja gut recherchieren, er gräbt eine alte Geschichte aus, in die die Pfarrerin verwickelt war, und denunziert sie bei der Polizei. Warum sollte man ein bewährtes Konzept ändern? Und fast hat er bei der Pfarrerin ähnlichen Erfolg wie bei seiner Nichte.»
    Berger betrachtete sein Gegenüber aufmerksam. «Tatsächlich?», entgegnete er langsam.
    «Ja.» Susanne nickte und hielt seinem Blick stand. Berger konnte sie jetzt nicht mehr schrecken. Warum sollte sie diese Schwäche nicht eingestehen, das schmeichelte Berger und machte sie nur glaubwürdiger. Sie fuhr fort: «Irgendetwas ist bei dem schönen Plan aber schiefgelaufen. Die Nichte, die ihrem Onkel zunächst blind vertraut, wird misstrauisch. Vielleicht hat sie einen Brandgeruch am Sakko ihres Onkels wahrgenommen, oder sie hat darüber nachgedacht, wer eigentlich über ihren Lehrer und über ihr Engagement bei den Umweltschützern und über den etwas aufdringlichen Regisseur Bescheid weiß. So viele Menschen gibt es da gar nicht. Die Nichte ist zwar traurig geworden, aber dies hat ihre Denkfähigkeit nicht beeinträchtigt. Womöglich stellt sie eine Falle.»
    Berger schüttelte bedauernd den Kopf: «Sehr schade, sie hätte sich zurückhalten und dann noch ein paar Wochen leben können. Das Leben ist doch ein so kostbares Geschenk.» Susanne musste wieder mit ihrer Übelkeit kämpfen. Sie kniff sich in den Finger, um durch den Schmerz ihre Beherrschung wiederzugewinnen. «Jedenfalls – die Nichte hat einen Verdacht, und, was noch gefährlicher für unseren Journalisten ist, sie hat einen Beweis, zumindest ein Indiz. Haben Sie vielleicht noch eine interessante Idee, was für ein Beweis das sein könnte?»
    Michael Berger überlegte. «Vielleicht ist das Mädchen etwas zu neugierig. Sie könnte einen Freund haben, der sich mit Computern auskennt und sich in die Mails unseres Journalisten einklinkt. Leider hat der noch nicht seinen elektronischen Papierkorb geleert und in diesem Papierkorb liegen noch einige E-Mails, die eigentlich keiner sehen soll. Dafür liegen sie ja im Papierkorb.»
    Susanne dachte nach. «E-Mails, die mit anderer Unterschrift bei dem Mädchen angekommen sind? So dass sie sich fragen muss, was diese Mails auf dem Computer ihres Onkels zu suchen haben?»
    Berger lächelte milde. «Sie verstehen den Zusammenhang. Und Sie sehen: Neugier zahlt sich nicht aus. Genau so wenig wie rückhaltlose Ehrlichkeit. Es ist tatsächlich nicht klug von der Nichte, ihrem Onkel die Frage nach dem elektronischen Papierkorb zu stellen. Sie hätte auch besser den Hinweis auf gewisse Ähnlichkeiten zwischen zwei Fotos unterlassen. Einem Foto, das sie in den Armen des Regisseurs zeigt und einem anderen, auf dem sie in den Armen ihres Onkels zu sehen ist.»
    Susanne nickte. «Ja, das ist wohl nicht klug gewesen. Obgleich unserem Journalisten bestimmt eine gute Erklärung eingefallen ist. Doch dieses Mal überwiegen bei dem Mädchen die Zweifel an seinen Antworten.»
    Berger nickte bedauernd.
    Susanne fuhr fort: «Diese Zweifel möchte sie mit einem Menschen besprechen, dem sie vertraut. Wer ist vertrauenswürdiger als jemand, der unter Schweigepflicht steht? So wendet sich die Nichte an ihre Pfarrerin. Ein Plan mit tödlichen Folgen.» Susanne schaute Berger abwartend an. Der zuckte mit den Schultern und wippte wieder mit seinem Stuhl, offenbar wollte er sich jetzt nicht weiter äußern. «In dieser Situation ist wieder schnelles und entschlossenes Handeln gefordert. Die Nichte darf auf keinen Fall mit jemandem über ihren Verdacht
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