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Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Sonja Ullrich
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Freigrafendamm war
am Nachmittag des darauffolgenden Tages von einer munter scheinenden Sonne erhellt.
Die tiefgraue Wolkenwand des Vortages hatte sich in zahllose kleine Wattebällchen
zerteilt, der Himmel bleckte in fast frühlinghaftem Blau. Dennoch war es kalt, der
Wind blies mir unerbittlich gegen die Stirn und ich musste einige Male die Augen
schließen.
    Arthurs
Blumen ließen die Köpfe hängen. Lilien, Rosen sowie zahlreiche rot und blau blühende
rundköpfige Blumen penibel zu Kränzen, Sträußen und herzförmigen Bouquets verarbeitet,
verloren allmählich an Glanz und Farbe. Die Kranzschleifen waren vom Herbst stark
beansprucht worden. Sie waren durchregnet und mit Schmutz besudelt. Dennoch waren
die Aufschriften immer noch gut lesbar: ›Ein letzter Gruß‹, ›Adieu‹, ›Danke, dass
es dich gab‹.
    Es war ein
zermürbendes Gefühl, die Vergänglichkeit der einst so liebevoll, akkurat und auch
sicher für viel Geld hergerichteten Blumen anzusehen. Und dennoch konnte ich mich
nicht abwenden – mehr aus Faszination, denn aus Angst, die Tränen in Marthas Augen
sehen zu müssen.
    Ihr Schluchzen
war leise. Guido hatte seinen Arm um ihre Schulter gelegt, ihre blonden Haare warfen
sich wie ein löchriger Schleier vor ihr Gesicht. In ihre Hand gepresst war eine
einzelne Rose, blutrot und ihrer Dornen befreit. Seit einer halben Stunde konnte
sie sie auf das reichhaltige, verderbende Blumen- und Kranzbouquet werfen. Doch
sie schien auf etwas zu warten.
    Ich sah
auf die Uhr. Allmählich begannen meine Beine weich zu werden. Guido bemerkte meine
Nervosität und unsere Blicke trafen sich. Aber ich konnte ihm nicht lange standhalten.
    Schließlich
wandte er sich an Martha, umfasste ihre Schultern und drückte ihr einen Kuss auf
die Stirn. »Melde dich bei mir, wenn du etwas brauchst.«
    Martha nickte.
    Brülling
sah nervös an mir vorbei.
    Ich folgte
seinem Blick. Ich betrachtete die drei Trauerweiden, deren bemitleidenswertes Geäst
sich an die Gräber einiger vornehmer Bochumer schmiegte. Ihr filigranes Blattwerk
wiegte im Wind hin und her, einige Blätter rieselten zu Boden. Plötzlich entdeckte
ich eine dunkel gekleidete Gestalt, die hinter einem der Stämme auftauchte.
    Blut schoss
mir in die Wangen und erzeugte ein Rauschen in meinen Ohren.
    Martha stellte
sich neben mich. Ich sah mich um. Brülling war verschwunden.
    »Wer ist
das?«, fragte sie. Ihre Stimme war wesentlich heller, als ich sie mir immer vorgestellt
hatte. Auch sonst hatte sich Martha als wesentlich zierlicher und kleiner entpuppt
als angenommen. Kaum zu glauben, wie diese Elfengestalt es geschafft hatte, sich
durch die ganzen Strapazen zu kämpfen.
    Ich lächelte
sie an. Zum ersten Mal seit einer guten halben Stunde sah ich ihr direkt in die
Augen. Sie waren blank und nass, die Haut unter ihnen wund und aufgequollen. »Erkennst
du ihn nicht?«
    Martha kniff
die Augen zusammen und wischte sich noch einmal die Tränen aus dem Gesicht. Schließlich
verstand sie. Und lief gleich los.
    Ihr langes
blondes Haar flatterte im Wind, ihre Turnschuhe versanken im Matsch der bis zum
Abwinken weich geregneten Rasenfläche. Das Wasser unter ihren Sohlen spritzte. Mittlerweile
hatte auch Gregors Gangart an Fahrt angenommen. Mit weiten, schnellen Schritten
eilte er ihr entgegen. Martha warf sich in seine Arme, er umschlang sie und drückte
seinen Kopf an ihren Hals.
    Mir rannen
die Tränen hinunter und ich wusste nicht mehr, wohin mit mir. Sollte ich stehen
bleiben oder sollte ich ihnen entgegengehen? Auf dem Boden entdeckte ich Martas
Rose. Sie hatte sie fallen gelassen. Ich hob sie auf und legte sie auf Arthurs Grab.
Dann ging ich den beiden entgegen.
    Sie registrierten
mich erst gar nicht. Ich hörte, wie sie sich Dinge zuflüsterten. Zwar verstand ich
nicht, was sie sagten, doch so genau wollte ich sowieso nicht hinhören.
    Irgendwann
löste sich Gregor von Martha, schlang seine Hand um meinen Nacken und küsste mich.
    Martha lächelte
uns beseelt an.
    Gregor legte
eine Hand auf ihre Schulter. »Entschuldige uns bitte eine Minute.«
    Sie nickte
und entfernte sich ein paar Schritte. Weit weg genug, um uns nicht zu hören. Aber
immer noch nah genug, um uns zu sehen. Ausdruck ihres Traumas, schätzte ich. Doch
ich konnte es ihr nicht verübeln.
    »Mein Schwiegervater
hat die Kaution gestellt«, fing Gregor an.
    »Was wird
jetzt passieren?«, fragte ich.
    »Wir werden
sehen«, sagte er. »Oskar hat entlastendes Material an die Staatsanwaltschaft
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