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Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Sonja Ullrich
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seiner
Connections aus der Schusslinie schob. Wenn auch mit bereits erwähntem blutigem
Nachspiel. Sie hatten Panko beinahe umgelegt. Und ich konnte schwören, die lauerten
mir immer noch da draußen auf. Wahrscheinlich konferierten sie darüber, auf welch
grobe und brutale Weise sie mich, die Zeugin, doch noch ausschalten sollten.
    Allein dieser
Gedanke fuhr in meinem Schädel unentwegt Karussell und ich tat nachts kein Auge
zu – entweder weil gerade kein Messer unter dem Kissen lag oder weil ich Angst hatte,
ich könnte mir mit dem Messer unterm Kissen ein Auge ausstechen. Das nächste Problem
war die Stromrechnung, weil ich die Nächte nur noch bei Licht ertrug, und zwar mit
Licht in allen Zimmern. Also schaltete ich mein kleines Leben auf Standbild, räumte
meine Sachen zusammen und setzte mich nach Ungarn ab, ohne irgendeiner Seele Bescheid
zu geben.
    Es half.
    Doch es
tröstete nicht über die kausale Ordnung hinweg, dass auf eine Pause eine Fortsetzung
folgen musste. Rechnungen mussten bezahlt und Flurwochen nachgeholt werden. Also
kam ich zurück.
    Und es fühlte
sich an wie damals, wenn Mutti auf den Start-Knopf drückte, nachdem sie von der
Toilette zurückgekehrt war: Nichts hatte sich geändert. Alles lief weiter, als wäre
sie nie weg gewesen.
    Als wäre ich nie weg gewesen.
    Womöglich
war es sogar noch schlimmer als zuvor, als sich die Leute noch nicht extra die Treppe
hinaufbemühten, um unter meiner Türklingel zu sterben.
    Vor Wut
hätte ich am liebsten über die Brüstung gekotzt.
    »Nun sag
endlich! Ist er tot?«, fragte Anastasios ungeduldig vom Treppenansatz hinauf. Der
Möchtegern-Samsonite seufzte unter seinem Gewicht.
    Ich rollte
wortlos mit den Augen, dann senkte ich meinen Blick. Der Fremde saß mit dem Rücken
zur Wand neben meiner Tür, die linke Schulter lehnte gegen das Treppengeländer.
Die Augen waren geschlossen, seine Gesichtszüge entspannt. Alter Schweiß glänzte
über seine Augenbrauen und auf dem heruntergeklappten Kinn. Er hatte halblanges
blondes Haar – einen Deut dunkler als meines –, das von seinem Seitenscheitel hinweg
über seine Ohren zauste. Seine Haut war fahl. Ich war mir sicher, dass er tot war,
weil seine kalte Aura meine Körperwärme absorbierte. Doch mein Verstand wollte sich
nicht damit abfinden. Schweiß brach auf meinen Handrücken aus, als ich mich vorbeugte,
um an seiner Schulter zu rütteln, erst zaghaft, dann stärker. Und ich schrak zurück,
als sein Kopf wie ein loser Puppenschädel vornüberkippte. Anastasios’ Schuhsohlen
scharrten über den Boden. Ich kniete mich hin und betrachtete den Scheitel des Fremden.
Dann streckte ich meine Finger aus, um nach dessen Hand zu greifen. Sie war kühl,
die aschgraue Haut weich, das Fleisch darunter von der Rigor mortis verhärtet. Es
hätte mich nicht überraschen dürfen. Ich kannte die Starre, hatte viel über sie
gelesen. Aber ich erschrak trotzdem. Mein Puls tobte in meinen Ohren.
    »Er ist
tot.« Meine Stimme klang weit entfernt. Ich ließ seine Hand los.
    Anastasios
durchpflügte beidhändig seinen Haaransatz. »Oh Gott, oh Gott, oh Gott«, stammelte
er wie ein Mantra. »Geh rein. Du musst die Polizei rufen.«
    Mag sein,
dass er recht hatte. Doch irgendetwas hinderte mich daran, aufzustehen und nach
dem Telefon zu greifen. Wer war er?, fragte ich mich im Stillen. Was wollte er hier?
Und was zum Teufel hat ihn dahingerafft? Hier, unter meiner Türklingel?
    Er antwortete
nicht. Ich überlegte angestrengt, doch ich sträubte mich, anzunehmen sein Hiersein
könnte irgendetwas mit mir zu tun haben. Warum auch? Ich war für etliche Wochen
fort gewesen und gerade erst angekommen. Ich hatte niemandem meine Rückkehr gesteckt,
nicht einmal meinen Eltern. Besuch war bis auf Weiteres eingestellt.
    »Wir müssen
die Polizei rufen«, wiederholte Anastasios.
    »Noch nicht«,
sagte ich und breitete das Taschentuch aus meiner Hosentasche auf der Handfläche
aus und begann, seine Jacke abzutasten, was außerordentlich schwierig war, weil
die Fasern des Papiertuchs wie Klett am Wildleder pappten. Und weil meine Hand zitterte.
    »Was zum
Teufel machst du da?«
    »Ich muss
wissen, wer er ist. – Wer er war«, korrigierte ich.
    »Bist du
völlig durchgeknallt? Schon mal was von Seuchengefahr gehört? Oder hast du nichts
aus dem Tsunami oder der Katastrophe auf Haiti gelernt? Wenn der an irgendeiner
Krankheit gestorben ist, sind seine Viren bestimmt schon im Umlauf.«
    Ich sah
zu ihm hinunter und beobachtete seine
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