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Tränen aus Feenstaub

Tränen aus Feenstaub

Titel: Tränen aus Feenstaub
Autoren: Natascha Artmann
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traf ihn, kaum dass er das Deck betreten hatte. Es erwartete ihn kein Wolkenbruch, auch kein Sturm. Nur ein paar dicke Tropfen, die schon fast verloren aussahen, als sie auf den trockenen Planken auftrafen. Und er war warm, ein ruhiger warmer Sommerregen, der in dieser Nacht herunterkam. Aber dennoch war Finn beunruhigt. Wenn er eines gelernt hatte in diesen Tagen, dann das, dass größere Wetterschwankungen mit diesem Mädchen zusammenhingen.
    Finn ging zur Reling und spähte hinunter auf den ruhigen dunklen Kai. War sie dort irgendwo? War sie wiedergekommen und nutzte jetzt die Nacht, um nicht entdeckt zu werden? Aber wo war sie? Finn konnte sie nicht sehen! Vielleicht hatte er sich ja geirrt, vielleicht hatte sie gar nichts mit diesem Regen zu tun. Langsam aber sicher litt er unter Verfolgungswahn. Wie konnte er sich einbilden, die Launen eines Schulmädchen würden das Wetter beeinflussen? Er schüttelte über sich selber den Kopf, wandte sich von der Reling ab und wollte zu seinem Schlafplatz zurückkehren.
    Sie stand wie ein kleiner dunkler Geist auf der See zugewandten Seite des Schiffes.  Sie dort zu sehen, machte ihn wütend. Finn wollte ihr die Hölle heiß machen. Wie konnte sie es wagen, auf das Schiff zu kommen? Was, wenn sie wie er es jetzt nicht mehr verlassen konnte?
    Er würde sie eigenhändig über Bord werfen. So sah sein Plan aus, auch wenn er ihn nicht ausführen würde. Das wurde ihm klar, nachdem er sie erreicht hatte und zu sich herumriss.
    Über Pinas Wangen liefen dicke Tränen und mischten sich mit dem Regen, der vom Himmel fiel. Sie hatte sich nicht erschrocken, als er sie so unsanft berührte. Sie sah ihn nur mit einer tiefgehenden Traurigkeit an.
    Die scharfen Worte, die Finn auf der Zunge lagen, blieben ihm im Halse stecken.
    „Du weinst!“, wunderte er sich.
    Pina versuchte zu lächeln. „Das ist nur der Feenstaub in meinen Augen“, versuchte sie eine harmlose, ziemlich unglaubwürdige Begründung für ihre Tränen zu finden.
    Finn ärgerte sich über sich selbst. Wieso konnten ihn Pinas Tränen tief in seinem Innersten berühren? Er wollte es gar nicht wissen! Darum kam er schnell zu seinem üblichen mürrischen und arroganten Selbst zurück. Er stauchte Pina etwas heftiger zusammen als anfangs geplant.
    „Du hast nicht mehr Grips als ein Stück Toastbrot, einfach hier an der Reling zu stehen! Was zum Teufel hättest du gemacht, wenn ich dich nicht zuerst entdeckt hätte? Wärst du ins Wasser gesprungen, oder hättest du dich von einem der Matrosen wie ein Lämmchen an der Leine wegbringen lassen?“
    Finns rüde Worte prallten an Pina ungehört ab. Sie wollte sich nur vergewissern, dass es ihm hier an diesem Ort gut ging. Und während Finn dazu ansetzte weiter über ihr Verhalten zu schimpfen, schlang sie die Arme um seine Mitte, drückte ihr Gesicht an seine Brust und weinte lautlos sein T-Shirt nass.
    Was war hier los? Hatte Pina wieder Fieber? Finn konnte nicht feststellen, dass sich ihr Körper heiß anfühlte. Aber irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein. Und um dahinter zu kommen, war es wohl das Beste, sie erst einmal aus dieser Stimmung herauszuholen.
    „Ich wusste ja gleich, dass das irgendwann passieren würde“, seufzte Finn. „Wir Biker haben einfach eine unglaubliche Anziehungskraft. Aber ich hätte nicht gedacht, dass du mir so schnell verfallen würdest!“
    Das war eine ziemlich dreiste Behauptung, die Finn da aufstellte und die auch nicht ihre Wirkung verfehlte. Pinas Tränen versiegten fast sofort und vor Empörung bekam sie einen Schluckauf.
    „Eingebildeter Affe!“, konterte Pina und hickste.
    Natürlich beendete sie die Umarmung sofort. Aber es gelang ihr nicht, ihm richtig böse zu sein. Zu deutlich stand ihr das Bild vor Augen, wie er in seinem Krankenzimmer gelegen hatte, mit einem Beatmungsschlauch und piepsenden Monitoren um sich herum. Die eben erst versiegten Tränen wollten erneut in Pina hochsteigen, doch sie schluckte sie tapfer hinunter.
    Finn beschloss, dem Anlass für Pinas Erscheinen auf dem Schiff auf den Grund zu gehen.
    „Was ist passiert? Warum stehst du hier an der Reling und feuchtest mit deinen Tränen die Luft an?“
    Pina war noch nicht bereit, ihm zu berichten, was sie inzwischen herausgefunden hatte. Darum griff sie bei ihrer Antwort auf seine eigenen Worte zurück.
    „Wie kannst du nur denken, ich würde einen schlafenden Augenblick in deiner Gesellschaft versäumen wollen. Schließlich bin ich dir mit Haut und Haaren
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