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Totgelesen (German Edition)

Totgelesen (German Edition)

Titel: Totgelesen (German Edition)
Autoren: Ingrid Rieger
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und bin weitergefahren.«
    »Können Sie den Täter beschreiben? Bitte versuchen Sie, sich an alles zu erinnern, das Ihnen einfällt, jede Kleinigkeit kann wichtig sein.«
    Bereit jedes Detail in ihrem Notizblock zu notieren, sah Monika den Zeugen gespannt an.
    »Das ist es ja eben, ich denke schon den ganzen Tag darüber nach, aber da ist nichts.«
    »Was heißt nichts?«, Monika verengte verwirrt ihre Augen.
    »Ich meine, ich habe ihn genau gesehen, dennoch kann ich ihn nicht beschreiben.« Der Alte runzelte die Stirn, bevor er erneut seine Lider schloss, um mit geschlossenen Augen zu sagen: »Er war schwarz angezogen. Schwarze Jogginghose, schwarze Jacke ohne Aufschrift und schwarze Mütze. Den Kragen seiner Jacke trug er bis zur Nase hochgezogen, sodass ich nichts erkennen konnte. Alles was man sah, waren seine Augen und um die genauer zu erkennen, war ich zu weit weg. Also nichts, was ihnen weiterhelfen könnte, er war nur ein gewöhnlicher Jogger.«
    »Wie groß war er?« Vielleicht ergab wenigstens dieses Detail etwas Konkretes.
    »Auf jeden Fall größer als die Frau, schließlich hat er sie einfach genommen und in den See geworfen.«
    Monika wechselte zurück zum Tathergang und fragte, wie sich alles abspielte.
    Ein stolzes Lächeln zeigte sich auf den Lippen des Mannes. »Rugby war ganz schön tapfer. Als er die beiden sah, hat er gleich gemerkt, dass da etwas nicht stimmt und ist auf sie zugerannt. Er hat gebellt wie ein Wahnsinniger. Sie hätten ihn sehen sollen wie Kommissar Rex hat er sich verhalten. Der schwarze Mann hat sich kurz zu uns umgedreht und ist auf der anderen Seite der Brücke runter. «
    »Und Ihr Hund?«
    »Der ist bis rauf zur Brücke gelaufen, dann hat er umgedreht und ist mit mir zum See.« Seine Stimme war voller Liebe, wenn er von dem kleinen Pinscher sprach.
    »Haben Sie gesehen, wohin der Täter gerannt ist?«
    »Nein, tut mir leid, ich habe nur darauf geachtet, nicht die Stelle aus den Augen zu verlieren, an der die Frau in den See geworfen wurde.«
    Die Tür des Krankenzimmers ging auf, ein weiterer Patient wurde in den Raum geschoben. Rund um ihn piepsten diverse Apparate. Für Monika war es Zeit zum Aufbruch, hier würde sie nichts mehr erfahren.
    »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an, hier ist meine Nummer.« Sie legte ihm eine Karte mit ihrer Telefonnummer auf seinen Nachttisch. »Vielleicht müssen wir Sie nochmals belästigen. Ich wünsche Ihnen gute Besserung und richten Sie Rugby schöne Grüße aus, wenn er wieder bei Ihnen ist.«
    ***
    Er konnte es nicht leiden, früh aufstehen zu müssen, aber noch weniger mochte er es, eine Mutter vom Tod ihres Kindes zu unterrichten. Es war nicht der Tod selbst, der die Menschen verzweifeln ließ, sondern die Endgültigkeit, mit der er sich ihre Lieben nahm. Jedes Mal aufs Neue fürchtete Specht sich davor, der Überbringer dieser grausamen Nachricht zu sein.
    Heute war wieder einmal solch ein Tag. Um sechs Uhr morgens sollte er am Grazer Flughafen Frau Nußbaumers Mutter abholen, um ihr den Tag und den Rest ihres Lebens zu zerstören. Vielleicht hatte er Glück oder Pech, je nachdem wie man es sah, und jemand anderes hatte die Frau schon informiert. Doch damit war eher nicht zu rechnen. Die Tote war ein Einzelkind. Also gab es niemanden, der die Mutter hätte vorwarnen können. Freunde oder Verwandte kamen nicht in Frage, da das Fernsehen gestern zwar über den Fall berichtet hatte, doch vom Nachnamen des Opfers nur den Anfangsbuchstaben bekannt gegeben hatte. Blieb nur noch die Nachbarin und bei der war sich Specht sicher, dass sie sich nicht die Mühe gemacht hatte, die Mutter anzurufen.
    Zwar war er ahnungslos, wie die Frau aussah, aber er verließ sich auf seine Intuition und auf die Tatsache, dass um diese Zeit nicht allzu viele Flugzeuge aus Ägypten landen würden. Der Tross der Reisenden lichtete sich rasch und Spechts Aufmerksamkeit fiel auf eine blonde Frau gesetzten Alters, die sich suchend umsah. Er ließ weitere fünf Minuten verstreichen, ohne dass jemand die Frau ansprach und ihre Ruhelosigkeit merkbar stieg. Danach trat er auf sie zu, stellte sich vor und bestand darauf, sie nach Hause zu fahren.
    Die unausweichliche Frage kam schnell: »Was ist mit meiner Tochter, warum ist sie nicht hier, um mich abzuholen?« Doch Specht antwortete nicht gleich, sondern bat sie, ihm zu folgen.
    Noch immer schweigend lud er ihr Gepäck in seinen Wagen - der die Zeit im Halteverbot vor dem Flughafen ohne
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