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Totgelesen (German Edition)

Totgelesen (German Edition)

Titel: Totgelesen (German Edition)
Autoren: Ingrid Rieger
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mehr zu sehen. Am Dienstag wimmelte es hier von hektisch herumschwirrenden Polizisten - heute war sie allein. Um dem mulmigen Gefühl, das in ihr aufkam, keine Chance zu lassen, lehnte sie sich über das Geländer und beobachtete die Fische im Wasser unter ihr. Trotz der annähernd zehn Meter Höhe, konnte sie die Tiere deutlich ausmachen. Das Eisengeländer, an das sie sich lehnte, reichte ihr bis zur Hüfte.
    
    Wie leicht wäre es, wenn die Tote ihr antworten könnte.
    Nachdem sie am Tatort nichts Neues entdecken konnte und die Kälte langsam von ihr Besitz ergriff, entschied sie sich, die Runde fertig zu laufen. Nach der Brücke folgte ein Pfad, der teilweise durch Büsche und Bäume vom See getrennt war und nur vereinzelt den Blick ans Ufer freigab. An einer dieser lichten Stellen entdeckte Monika einen Schwan, der auf das Ufer zu schwamm. Die Anmut, mit der er dahinglitt, erinnerte sie an die Geschichte des hässlichen Entleins, das außer von seiner Mutter von allen verstoßen worden war. Bei ihr war es genau andersherum. Sie war von der eigenen Mutter weggestoßen worden - nicht offensichtlich, aber doch spürbar. Die Belange der Mutter wurden denen der Töchter vorgezogen. Lieber ein Kinobesuch mit dem Neuen als die Theateraufführung ihrer Zehnjährigen. Lieber ein Besuch beim Friseur als Elternsprechtag. Keine Bilderbuchkindheit, aber ein ganz normales Aufwachsen mit Höhen und Tiefen im Wiener Gemeindebau. Sollte sie einmal Kinder bekommen, würde alles anders laufen. Aber wo sollten diese Kinder herkommen? »Unbefleckte Empfängnis« kam für sie nicht in Frage und sich vom erstbesten Typen schwängern zu lassen, auch nicht. Ihre innere Uhr würde sich noch ein paar Jahre gedulden müssen. Sie war allein. Allein - wie der Schwan.
    
    Längst hatte der Schwan abgedreht und war an ihr vorbeigeglitten, als sie Geräusche vom Ufer vernahm. Sie blieb stehen, drehte sich um. Der Schwan war nicht einsam. Blieben nur noch Monika und Frau Nußbaumer.
    Monika hob einen Stein auf und schleuderte ihn so weit sie konnte in Richtung der turtelnden Vögel und schrie:
    »Ich bin nicht einsam. Ich habe mir mein Leben selbst ausgesucht.«
    Um ihre Äußerung zu bekräftigen, bückte sie sich erneut nach einem Stein, um ihn in den See zu werfen. Dabei fiel ihr auf, dass sie das gegenüberliegende Ufer einwandfrei überblicken konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Die Bäume verdecken sie, behindern aber nur teilweise den Blick auf die andere Seite.
    
    Bis zur Brücke dürfte er es mühelos geschafft haben, ohne auf sich aufmerksam zu machen. Aber spätestens oben hätte sie ihn doch sehen müssen.
    Die andere Möglichkeit wäre gewesen, dass er sich von hinten an sein Opfer herangepirscht hatte. Dazu müsste er seinem Opfer nachgelaufen sein. Er überholt sie, dreht sich blitzschnell um und ersticht sie. Diese Möglichkeit klang noch absurder. Da wäre es um einiges leichter gewesen, sie von hinten abzustechen.
    
    Eventuell war das Opfer mit dem Täter auf der Brücke verabredet. Monika versuchte, sich die Situation aus diesem Blickwinkel vorzustellen.
    
    Vielleicht kannte sie den Täter wirklich nicht. Konzentriert darauf, die Steigung zu schaffen, lief sie über die Brücke. Wahrscheinlich sah sie den Mann, der ihr entgegenlief, aber ignorierte ihn. Ebenfalls ein Jogger? Der gehörte hierher, war normalerweise nichts Besonderes. Bleibt noch die Frage:
    

    ***

    »Ich denke, ich spreche im Namen aller, wenn ich sage: « Oberst Neumeister strich sich über die Seidenkrawatte, die mit einer goldenen Nadel an seinem Armani-Hemd befestigt war. Er wirkte eher wie ein exklusiver Immobilienmakler als der Chef der Kriminalpolizei Steiermark. Aber das musste er auch nicht. Er war nicht wie all die anderen mühsam die Karriereleiter hinaufgeklettert, sondern verdankte diese Position einer engen Verwandtschaft zum ehemaligen Innenminister. Deshalb wurde er auch von manch neidischem Kriminaler
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