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Totenwache - Thriller

Totenwache - Thriller

Titel: Totenwache - Thriller
Autoren: PeP eBooks
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zweiten Reihe saß ein junger Mann, der sich hinter seinem Pult verkroch. Als er vorsichtig nach oben schaute, gingen an seinem Himmel zwei Monde auf.
    »Finden Sie es nicht ein bisschen überstürzt, schon in der ersten Woche danach zu fragen, welche Fragen in der Abschlussprüfung vorkommen?«, wollte Nick wissen. »Wie mir scheint, haben Sie den Blick sehr, sehr weit … in die Zukunft gerichtet, junger Mann.«
    Nick blinzelte, und die braunen Monde verschwanden. Kurz darauf erschienen sie wieder - größer als zuvor.
    »In Wahrheit zielt Ihre Frage doch darauf ab, ob man das hier« - er wies mit dem Kopf auf die Tafel - »wirklich wissen muss.« Nick neigte den Kopf zur Seite und inspizierte das Gesicht des jungen Mannes, als ob er dort einen versteckten Saugrüssel vermutete. »Die Insekten bilden die größte Klasse der gesamten Tierwelt«, sagte er dann. »Fünfundneunzig Prozent aller Arten sind Insekten. Davon
sind bis heute rund eine Million bekannt; könnte aber gut sein, dass es noch weitere dreißig Millionen Spezies zu entdecken gibt. Man findet sie überall - ob in den Polarregionen oder im Regenwald, ob auf den Schneefeldern des Himalaja oder in verlassenen Bergwerksstollen zwei Kilometer tief unter der Erde. Sie sind in den heißesten Wüsten ebenso heimisch wie auf der Oberfläche des Meeres, in heißen Quellen und in unterirdischen Erdöllagerstätten. Das kleinste Insekt ist nicht einmal zweieinhalb Millimeter groß; andererseits gibt es eine Vogelspinne, die über hundert Gramm wiegt und von Fuß zu Fuß knapp dreißig Zentimeter misst. Ihre Beißklauen sind zweieinhalb Zentimeter lang. Das Tier ernährt sich von Vögeln. Sollte man so etwas wissen?«, fragte er.
    »Wussten Sie beispielsweise, dass allein die Ameisen und die Termiten zwanzig Prozent der gesamten tierischen Biomasse auf unserem Planeten ausmachen?«, fuhr er fort. »Wussten Sie, dass jedes vierte Tier auf der Erde ein Käfer ist? Wie viele Einwohner hat Ihre kleine Stadt Raleigh noch mal - vielleicht eine Viertelmillion? Auf einem einzigen Hektar Land kommen bis zu fünf Millionen Insekten vor. Insekten vertilgen mehr Pflanzen als alle anderen Tiere auf der Welt. Ohne Insekten wären wir einer ökologischen Hölle ausgeliefert - überall Berge verrottender pflanzlicher Organismen. Ohne Insekten würde wahrscheinlich die Hälfte aller anderen Tierarten auf der Erde aussterben - Ihre eigene Spezies eingeschlossen. Meine Spezies beherrscht die Welt, während Sie lediglich einer lästigen Minderheit angehören. Wenn Sie mich fragen, ob es sich lohnt, das alles zu wissen, könnten Sie ebenso gut fragen, ob es sich lohnt, überhaupt etwas über das Leben zu wissen.«
    Nick musterte das Gesicht des jungen Mannes. Wie alle Vordiplomanden verstand sich der junge Mann vortrefflich
darauf, den reumütigen Sünder zu geben - eine Überlebenstechnik, die alle Studenten beherrschten, wenn schon sonst nichts. Der hier machte ein Gesicht wie ein junger Cockerspaniel, der gerade auf den Teppich genässt hat. Ja, es tat ihm alles so furchtbar leid, vor allem jedoch, dass selbst er, ein popeliger Sportstudent, einen naturwissenschaftlichen Grundkurs belegen musste.
    Nick gab einen Stoßseufzer von sich. »Oder um Ihnen mal ein Beispiel aus Ihrer eigenen Erfahrungswelt zu geben«, sagte er. »Die in Zentral- und Südamerika heimische Kusswanze etwa kann eine Blutmenge vertilgen, die ihrem zwölffachen Körpergewicht entspricht. Um auf einen solchen Wert zu kommen, müsstet ihr Verbindungsbrüder an einem einzigen Abend rund neunhundert Liter Bier saufen - und zwar jeder.«
    Das ganze Auditorium fing an zu johlen.
    Nick wandte sich wieder Richtung Tafel. »Ich hätte mich besser gar nicht erst umdrehen sollen.« Doch bevor er seine Privatvorlesung fortsetzen konnte, nutzte ein anderer Student die Gelegenheit und ergriff das Wort.
    »Dr. Polchak, wann haben Sie eigentlich Sprechstunde? Ich habe Sie noch nie in Ihrem Büro angetroffen.«
    »Mein Büro befindet sich hier in der Gardner Hall, Zimmer 323. Klopfen Sie einfach dort an. Falls ich Sie hereinbitte, habe ich gerade Sprechstunde. Aber wenn Sie sich mal ausheulen wollen, sprechen Sie mich doch einfach direkt nach der Vorlesung an.«
    »Aber nach der Vorlesung habe ich Sie noch nie erwischt. Oder soll ich etwa hinter Ihnen herbrüllen, während Sie durch die Halle zu Ihrem Büro rennen?«
    Nick beäugte ihn. »Damit habe ich kein Problem. Können wir jetzt wieder zum Thema kommen? Ich habe hier
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