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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung
Autoren: Arnold Kuesters
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nur flirten? Sie dachte an Lars und den Geruch seiner Haut. Und daran, dass er für zwei Wochen auf einem Lehrgang war.
    »Das klingt nach Stress.« Jasmin unterdrückte den Drang, ihren Unterschenkel zu kratzen.
    »Das Leben ist kein Picknick. Ich habe eine Menge dicke Bretter bohren müssen, aber ich habe ein Ergebnis.« Bittner machte ein zufriedenes Gesicht.
    Gut, Bittner wollte nicht flirten. Das erleichterte die Sache. »Nämlich?« Jasmin musste sich nun doch kratzen.
    »Wir haben doch den Laden von Jennes auf links gedreht und nichts gefunden.«
    Köllges nickte.
    »Dachten wir.« Rüdiger Bittner klopfte seine Westentaschen ab. »Irgendwo muss ich doch meine Zigaretten haben.«
    »Ich rauche nicht.«
    Bittner verstand den Wink und deutete auf die Senseo-Maschine. »Bekomme ich dann vielleicht einen Kaffee?«
    Sie griff nach der Dose mit den Pads. »Erzähl.«
    »Wir haben alles untersucht. Auch das Zeitungspapier, in das die Weingläser und Lampen eingewickelt waren, die Jennes kurz vor unserem Besuch geliefert bekommen hat. Es hat sich herausgestellt, dass die Seiten von ein und derselben Ausgabe stammen. Es ist die moldawische Zeitung Timpul , die Ausgabe ist etwas mehr als vier Wochen alt.« Bittner nahm dankend den Becher mit Kaffee entgegen.
    »Eine moldawische Zeitung? Jennes lässt sich auch von dort Möbel und anderen Trödel schicken, das habe ich in den Protokollen gelesen.« Jasmin Köllges setzte sich wieder. Ihre Wade juckte teuflisch.
    »In einem Artikel geht es um eine Leiche.« Bittner nahm vorsichtig einen Schluck. »Man sieht auf dem Foto das Gesicht einer Behinderten. Und der Hammer ist: Der Leiche fehlen Finger.«
    »Du meinst?«
    »Wir haben schon Kontakt zur dortigen Rechtsmedizin aufgenommen. Entweder kommt die Leiche im Kühlwagen zu uns, oder einer unserer Leichendoktoren fährt mit den Fingern nach Moldawien. Vermutlich reicht aber eine Gewebeprobe.«
    »Klingt doch vielversprechend.« Warum erzählte Bittner das ausgerechnet ihr?
    »Wenn das so einfach wäre. In Moldawien geht’s zu wie im Wilden Westen.« Bittner grinste schief. »Den Eindruck kann man jedenfalls bekommen, wenn man dort um Amtshilfe bittet. Der Eiserne Vorhang hat noch kein bisschen Rost angesetzt, was die Zusammenarbeit auf dem kleinen Dienstweg betrifft.«
    »Ja, ja, von wegen Glasnost.« Was wollte Bittner bloß von ihr?
    »Ich bin davon überzeugt, dass wir damit die Leiche haben, nach der wir so lange gesucht haben. Und es ist kein Zufall, dass Jennes geschäftlich in Moldawien zu tun hat. Wir werden herausfinden, wie er an seine Opfer gekommen ist. Und wenn wir selbst dort ermitteln müssten. Es gibt jedenfalls eine Verbindung. Die Finger sind der Beweis.«
    Jasmin setzte ihren Becher ab. »Und warum erzählst du das alles ausgerechnet mir?«
    Rüdiger Bittner sah sie erstaunt an. »Ich dachte, es interessiert dich. Du bist doch davon überzeugt, dass die Behinderten mit den Überlandbussen nach Mönchengladbach gebracht werden. Nun sieht die Sache aber ganz anders aus. Jennes lässt sie sich mitbringen oder schafft sie eigenhändig her.«
    »Hat Borsch dich zu mir geschickt?«
    »Spinnst du?«
    Langsam ein, langsam aus. Heinz-Jürgen Schrievers war nur noch eine Pumpe, die die abgestandene Luft zirkulieren ließ. Langsam ein und langsam aus. Begleitet von einem steten metallischen Zischen oder einem leisen, eindringlichen Brodeln.
    Seine Augen brannten. Es stank nach Exkrementen. Kein Geräusch, keine Bewegung. Er war wie aus der Zeit gefallen. Es machte keinen Unterschied, ob er noch lebte oder schon tot war.
    Hunger? Er meinte ein heiseres Kichern zu hören. Aber es war nur seine Phantasie, die ihm einen Streich spielte. Er war allein. Hunger? Wieder dieses Kichern.
    Hunger hatte er keinen mehr. Und Durst? Was war das noch einmal? Er kannte das Wort, aber er kannte seine Bedeutung nicht mehr.
    Eine Gnade? Schrievers riss die Augen auf, und seine Augäpfel drängten aus ihren Höhlen. Seine Zunge drückte schwer gegen den Gaumen. Schrievers verfluchte seine Mutter, die ihn geboren hatte. Er verfluchte seinen Vater, er verfluchte seine ganze gottverdammte Existenz.
    Aber es half nichts.
    Der Durst würde ihn umbringen.
    Mach, dass es nicht so lange dauert. Gott. Wenn es dich gibt. Töte mich, und mach nicht so viel Aufhebens davon. Er sah ein Licht, das vor seinen Augen tanzte.
    Um ihn herum nur tiefschwarze Nacht.
    Torsten Linder schüttelte den Kopf. »Der Wagen kann seit Tagen dort stehen, er kann aber
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