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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
Autoren: Christine Lehmann
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kaschiert und ignoriert. Die Finger klapperten schon wieder, die Augen klimperten den Bildschirm an.
    »Und wie heißen Sie, mein Sonnenscheinchen?«
    Sie riss die Augen auf. »Desirée … äh … Motzer.«
    »Schöner Name!« Ich rückte an den Tisch. Das Geschöpf wurde dünn und schmal. »Gibt es hier sonst noch jemanden? Ich war nämlich auf Geisterjagd in Ludwigsburg.«
    Desirée glitschte zur anderen Seite hinter ihrem Tisch vor und sagte: »Einen Moment bitte.«
    Ich bewunderte die Sicherheit ihres Laufs auf Stielen. Sie verschwand im Gang, der ins Querhaus der Burg führte. Im Austausch erschien, als hätte sie hinter der Ecke gelauert, eine Frau Mitte fünfzig mit Haar schwarz wie Teer, dunklen Mandelaugen, Gold an Hals und Handgelenken und teurer Eleganz in Blazer und Rock über perfekten Beinen mit schmalen Fesseln. Auch sie trug Absatz.
    Was für ein Defilee der Damen vor der geschlossenen Tür von Professor Rosenfeld! Er musste ein ausgesprochen vielversprechender Mann sein.
    »Ich bin Dr. Derya Barzani.« Sie reichte mir die Hand. »Stellvertretende Institutsleiterin. Seit Jahren interessiert sich niemand mehr für die Parapsychologie.«
    »In der Not frisst der Nerz Fliegen«, sagte ich. Denn noch herrschte politisches Gähnen. Die arabische Revolution übte erst. Noch gaben sich die Atommeiler von Fukushima beherrschbar. »Ich war mit den Haunt Hunters unterwegs.«
    Dr. Derya Barzani verschob verächtlich die Lippen, was den Zauber ihres Gesichts vergrößerte. »Das sind Scharlatane.«
    »Ja, klar. Aber sie haben Fotos gemacht, und da war ein Gesicht drauf!«
    »Gabriels … Professor Rosenfelds Schreibtisch …« Sie unterbrach sich und fingerte mit lackierten Nägeln suchend und sortierend im Köcher für längliche Bürogegenstände auf Desirées Schreibtisch herum. »… ist voll von Bildern, auf denen Geister zu sehen sind. Aber es sind nur Schatten und Lichteffekte. Wenn bei großer Blende hinten jemand vorbeihuscht, sieht es aus wie ein geisterhafter Schatten. Und die Gesichtererkennungsprogramme der modernen elektronischen Kameras stellen alles deutlicher heraus, was wie ein Gesicht aussieht.«
    »Okay.« Das war eine geistesklare Erklärung für das Gespenst, das seit der Nacht in Ludwigsburg in meinen Neuronen waberte. »Was suchen Sie eigentlich?«
    Dr. Barzani blickte mich zerstreut an. »Die Schere … die große … aber, hm, Gabriel wird sie …« Sie unterbrach sich wieder und entschied sich, erst einmal mich abzuservieren. »Was möchten Sie sonst noch wissen?«
    »Die Stimme von Küfer Paul aus dem Fasskeller, wie kommt die aufs Band?«
    »Üblicherweise kommen Stimmen in Audiofiles, weil jemand ins Mikro spricht, zum Beispiel …« Sie senkte die Stimme. »Ich bin Paul!«
    »Aber das wäre Betrug.«
    »Es wird öfter betrogen, als man gemeinhin denkt.«
    Ach so? Ich wog die Vollbluterotik der zierlichen Türkin mit Titel, Geld und Geschmack gegen die Selbstverkaufs-Offensive des Sonnenscheinchens ab. Männer mögen es jung und unkompliziert. Vermutlich hatte Desirée unlängst gesiegt und Derya beim Professor aus dem Rennen gefickt. Es herrschte Kampfstimmung. Es roch nach Blut.
    »Und Sie«, fragte ich, »decken Sie nur Betrug auf, oder gibt es da wirklich etwas?«
    »Sie meinen Telepathie und Telekinese. Wenn Sie wollen, mache ich einen Test mit Ihnen …«
    »Was für einen Test?«
    »Keine Angst, tut nicht weh.«
    Da klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch der Schreibkraft. Die stellvertretende Institutsleiterin blickte sich suchend um und nahm dann selbst ab.
    Eine Klospülung rauschte irgendwo.
    »Oh!«, rief Barzani. »How do you do?« Dann sprach sie deutsch weiter. Nein, sie wisse nicht, wo Gabriel stecke. Ja, er habe vorgehabt, ihn – den unbekannten Gesprächsteilnehmer – vom Flughafen abzuholen, das wisse sie bestimmt. Sie sei aber Freitagnachmittag früher gegangen.
    Desirée stöckelte herbei.
    Barzani legte auf. »Hat Gabriel Ihnen was gesagt?«
    Das Sonnenscheinchen hob eine Augenbraue. »Was soll er mir gesagt haben?«
    »Er wollte doch Finley McPierson vom Flughafen abholen.«
    Beide Frauen blickten sich nach der verschlossenen Tür um. Insgesamt gingen drei Türen und ein Gang mit weiteren Türen von dem Foyer ab, das als Empfang mit Besucherstuhl, Schreibtisch und Hängeregisterarchiv diente.
    »Seit wann schließt er eigentlich ab?«, überlegte Barzani.
    Der Tod kam leise die Stiege herauf und setzte sich auf den Besucherstuhl. Oder kam es
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