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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse
Autoren: Dietmar Lykk
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immer den ersten Schritt. Diesmal war ich wieder dran.«
    »Warum können Sie nicht beruflich so aufeinander zugehen? Sie haben doch schon einmal im Familienunternehmen gearbeitet. Sie haben sich gestritten … und getrennt. Sie sind nach Hamburg gegangen. Gab es kein Versöhnungsgeschenk? Keinen noch so zaghaften Versuch?«
    »Donald und der Drache. Sie waren doch in Holtenau bei meinem Vater. Haben Sie die beiden gesehen? Das war mein Versuch. Aber es half nichts.«
    »Ihr Vater sagte, Sie hätten sich als Innenarchitektin in seinem Zimmer betätigt und den Donald zum Drachen gesellt. Damit er lerne, unerbittlich zu sein.«
    »Das hat er gesagt? Erwachsen werden, das nennt er unerbittlich werden? Mein Urgroßvater, ja, der war unerbittlich streng. Aber das hat mein Vater verdrängt. Er hatte Angst vor ihm! Und hängt sich ein Porträt von ihm ins Zimmer. Da würde ich ja Depressionen kriegen! Als ich es abhängen wollte, hatte er Tränen in den Augen!«
    Der Kellner brachte die Vorspeise.
    »Das Austernfleisch ist etwas zäh«, sagte sie und kaute mit langen Zähnen. »Ohne einen Spritzer Zitrone dran geht es wohl gar nicht.«
    »Austernfleisch ist immer so«, sagte Malbek und sah nachdenklich in die geöffnete Muschel. »Es ist lecker. Aber mehr auch nicht. Ich verstehe nicht, warum die Kellner immer so eine geheimnisvolle Miene aufsetzen, wenn sie es servieren.«
    »Ich verrate Ihnen ein großes Geheimnis.« Sie beugte sich verschwörerisch vor, sah kurz um sich und fuhr mit der Zungenspitze über die Oberlippe. »Wenn die Muschel nicht dabei wäre, würde ich es nicht essen. Ich lasse mir die Muschel immer einpacken, wasche sie und stelle sie mir in Hamburg ins Regal. Sehen Sie?« Sie drehte die leere Muschel mit der Gabel um. »Diese sieht aus wie der Thron eines Meeresgottes. Ich werde ein wenig Schmuck hineinlegen.« Wieder beugte sie sich zu ihm vor. »Darf ich Ihre auch haben?«
    »Natürlich!«
    Er versuchte, die Muschel auch umzudrehen, aber sie schüttelte den Kopf. »Nein, drehen Sie sie wieder um. Ja, so muss sie liegen. Es ist eine Bärentatze, mit der man zaubern kann. Hier, vier Zehen.« Sie langte mit der Hand zur Muschel und berührte seine Hand. Er spürte einen leichten elektrischen Schlag.
    »Was können Sie mir über Robert Lüllmann erzählen?«, fragte er.
    »Meinen Ex?«
    Ich habe die Frage falsch formuliert, dachte Malbek.
    »Nein, Robert Lüllmann, den ehemaligen Geschäftspartner und Freund von Frank Bönig.«
    »Nur wenn ich zuerst ein wenig über den Ex erzählen darf«, sagte sie schmollend. Sie sah ihn dabei nicht an, aber ihre Lippen taten es.
    »In Gottes Namen.«
    »Er ist ein Arschloch. Punkt.«
    »Wann haben Sie das gemerkt?«
    »Sehr schnell.«
    »Wie lange waren Sie zusammen?«
    »Ein knappes Jahr.«
    »Wie endete es?«
    »Als er meinem Vater in meiner Gegenwart erzählte, dass die Reederei dringend einen Operating Manager brauche, dass er der richtige Mann dafür sei, und nach der Heirat würde sich für mich sicher auch noch etwas finden. ›Nicht wahr, Schatz?‹« Sie verwandelte sich für Sekunden in ihren Exfreund.
    Malbek erkannte die ruckartigen Kopfbewegungen und die schneidende Stimme.
    »In Gegenwart meines Vaters habe ich mit ihm Schluss gemacht. ›Du bist ein Arschloch.‹ Das war vor sechs Monaten. Gestern wollte ich noch meine Sachen aus meinem Zimmer in Keitum holen. Ich bin übrigens ausgezogen. Ich kriege Depressionen, wenn ich sie nur sehe, diese Bönig. Ich komme also in den Flur und höre aus dem Strandzimmer Stimmen. Da sitzen sie beide nebeneinander einträchtig auf dem Sofa und sehen mich erschrocken an. Die Bönig und der Lüllmann. Als ob ich sie beide im Bett erwischt hätte.« Sie schüttelte den Kopf und sah nachdenklich aus dem Fenster.
    »Und was war?«, fragte Malbek ungeduldig.
    »Als ich reinkam, griff Lüllmann nach Papieren, die auf dem Tisch lagen, steckte sie hastig in seine Laptoptasche und schob ein Laptop hinterher.«
    »War es ein Coram 5?«
    »Woher soll ich das wissen? Er hat sich ständig neue Modelle gekauft. Ja, genau so war’s!«
    Sie lachte laut auf. Von den Nebentischen sah man amüsiert herüber. Sie hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund.
    »Haben Sie gefragt, was die beiden da machen?«
    »Das brauchte ich gar nicht. Sie plapperte hektisch los, dass sie Herrn Lüllmann dabei helfe, die mit ihrem verstorbenen Manne begonnenen Projekte weiterzuführen.« Sie redete gestelzt, wie Manuela Bönig es manchmal tat. »Ob
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