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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond
Autoren: Sven Koch
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krallten sich um ihre Tasche. Darin lagen eine Glock und drei volle Magazine. Papas Weihnachtgeschenk, dachte Alex, die einzige Art, die ihm einfiel, sein Mädchen zu schützen. Es war ihre Privatwaffe, nicht ihre Dienstwaffe, was später für Probleme sorgen würde. Aber das war ihr in diesem Moment gleichgültig. Es war ja nicht einmal gesagt, dass es ein Später geben würde …
    Mit zitternden Fingern öffnete Alex den Verschluss der Tasche, nahm die Glock heraus, schob ein Magazin hinein, lud sie durch und steckte die beiden Ersatzmagazine in die Jackentasche. Schließlich zog sie den Tactical-Light-Aufsatz mit der Laserzieleinrichtung aus der Tasche, ließ ihn unter dem Lauf einrasten und schaltete ihn an.
    »Was«, keuchte Schneider, »um Himmels willen, ist denn das?«
    »Meine Privatwaffe«, antwortet Alex knapp. »Habe die Dienstwaffe nicht mit. Egal. Diese hier kann Dinge, die die Walther nicht kann.« An einem kleinen Rädchen stellte sie die Intensität und den Leuchtradius des grellen Xenonlichts auf Maximum, ließ aber den Laser aus. Er nutzte ihr nichts, weil sie noch nicht dazu gekommen war, die Zielhilfe zu kalibrieren. »Der Aufsatz bringt Licht ins Dunkel«, sagte sie. »Hilfreich.«
    Schneider schien etwas erwidern zu wollen, verzog jedoch nur das Gesicht und winkte ab.
    Alex öffnete die Beifahrertür und stieg aus. Draußen blies der Sturm Myriaden von Schneeflocken fast horizontal durch die Luft.
    »Bist du dir sicher, dass du das tun willst?«, rief Schneider ihr zu.
    »Nein! Aber ich kann nicht auf die anderen warten. Ich gehe jetzt rein!«
    Schneider streckte Alex die geballte Faust entgegen. »Go!«, rief er ihr zu und nahm dann wieder das Handy ans Ohr.
    Alex tat es ihm gleich, konnte im heulenden Wind aber ohnehin nicht viel verstehen. Reineking hatte Schneider und sie in Ermangelung von Funkgeräten in eine Konferenzschaltung genommen, der nun auch Veronika zugeschaltet war, die sich mit ihrer Crew durch den Schneesturm immerhin bis zur Polizeibehörde durchgekämpft hatte. Dort wurde fieberhaft daran gearbeitet, wie mit den Einsatzfahrzeugen ein Durchkommen bis zum etwa vier Kilometer entfernten Museum am anderen Ende der Stadt möglich wäre. Die Polizeiwagen hatten keine mannshohen Räder mit fünfzehn Zentimeter starkem Profil wie der Streuwagen, der Schneider und Alex hergebracht hatte. Sie versuchten nun, an Räumfahrzeuge zu gelangen, um sich im Windschatten ihrer Schaufeln vorzuarbeiten.
    Aber bis dahin war Alex auf sich allein gestellt. Es war fast genauso wie bei der Übung am Gymnasium – mit einem Unterschied: Dieses Mal war es tödlicher Ernst. Alex schluckte, verband das Telefon mit dem Klinkenstecker der Freisprecheinrichtung und verstaute es in der Jackentasche. Sie zog das verdrehte dünne Kabel glatt und steckte sich den Kopfhörer in die Ohrmuschel. Sofort hörte sie, wie sich die Stimmen in der Konferenzschaltung überschlugen. Dann klemmte sie sich das Fotoalbum unter den Arm und fasste das Museum ins Auge. Der Schnee reichte ihr fast bis zu den Kniekehlen. Schließlich ging sie los.

84.
    D ie Museumstür war geöffnet, obwohl das Museum geschlossen hatte. Als sie mit einem leisen Klicken aufsprang, wusste Alex, dass sie recht gehabt hatte: Hier, auf seinem Terrain, wo er sich sicher fühlte und sich auskannte, erwartete der Leopard mit der Beute in den Fängen seine Jägerin. Aber das Museum war groß, und es war stockfinster im Inneren.
    Die Tür schloss sich hinter Alex. Das Geräusch hallte durch das weitläufige Foyer. Spärlich erhellte die durch die riesigen Glaselemente hereinfallende Außenbeleuchtung den Raum, der etwa halb so groß wie eine Turnhalle war. Draußen heulte der Wind um den Kubus.
    »Hier Alex«, sagte sie leise in das Mikro des Freisprechsets, das an der weißen Kabelschnur unter ihrem Kinn baumelte. Schlagartig verstummte das Stimmengewirr in ihrem Ohr. »Die Tür war offen – ich bin mir sicher, dass das kein Zufall ist.«
    »Der Scheißkerl steckt wirklich da drin«, meldete sich Schneiders heisere Stimme aus dem Streuwagen.
    »Veronika hier«, vernahm Alex die nächste Stimme. »Wir haben gute Chancen, in etwa dreißig Minuten eine Einsatzgruppe zum Museum zu bringen.«
    »Ich glaube nicht, dass er mir die Zeit lassen wird.« Ihre vom Schnee nassen Schuhsohlen matschten auf dem Boden.
    »Keine Heldentaten, Alex«, vernahm sie Reinekings Fistelstimme.
    »Danke für den Hinweis«, murmelte Alex. Sie fürchtete jedoch, dass genau eine
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