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Totenmesse

Titel: Totenmesse
Autoren: Arne Dahl
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dieses Interesse aussah.
    Und vor allem fragte er sich, wie weit es die Preise in die Höhe treiben würde. Wer war er also, um den ersten Stein zu werfen?
    Als die beiden Familienväter um die Hausecke kamen, bewarfen Peter und Stefan Klein-Lina mit Schneebällen, und Charlotte wusch ihrer Schwester Sandra das Gesicht mit Schnee. Die Mütter standen ein paar Meter entfernt und unterhielten sich, sodass die verantwortungsbewussten Väter einschreiten und die Ordnung wiederherstellen mussten. Durch Schimpfen.
    Das Ergebnis war dürftig, aber als der Auktionator nach einer wohl nur kurzen Pause zurückkehrte, wurde die Aufmerksamkeit in eine neue Richtung gelenkt, und die Kinder konnten einander in Ruhe weiter malträtieren.
    An der rückwärtigen Veranda des Hauses war eine große Anzahl unterschiedlicher Gegenstände zu besichtigen. In ihrer Mitte schritt der Auktionator mit passendem Bauernkäppi einher. Die Dinge wurden über die Köpfe der potenziellen Käufer hinweg ausgerufen, und es war kaum möglich zu folgen. Söderstedt spürte eine gewisse Unruhe, er könnte den Schreibtisch verpassen.
    Â»Was für ein Haufen Mist«, flüsterte Norlander.
    Â»Es sind Goldstücke darunter«, flüsterte Söderstedt zurück. »Sieh dir mal das Service da an.«
    Das Service, vermutlich von der Manufaktur Rörstrand aus den frühen Zwanzigerjahren, komplett in vierundzwanzig Teilen, ging für zweitausend Kronen weg, und Söderstedt war ein wenig beruhigt. Die Gefahr überhöhter Preise schien sich in Grenzen zu halten.
    Sie waren von Menschen eingeschlossen, und es wurden immer mehr. Alle waren wegen des Schreibtischs gekommen, dachte Söderstedt. Mindestens zehn Antiquitätenhändler aus Stockholm sind hier, um den Preis in die Höhe zu treiben.
    Dagegen hatte er keine Ahnung, wo die Kinder steckten. Er erlaubte sich die Annahme, dass die Mütter zur Vernunft gekommen waren und ihre mütterlichen Pflichten erfüllten. Denn sein Interesse galt im Augenblick einem vermutlich 1764 in der Werkstatt des angesehenen Leipziger Möbeltischlers Weissenberger hergestellten Barockschreibtisch.
    Â»Und jetzt, meine Damen und Herren«, rief der Auktionator, »eine Kollektion Flickenteppiche aus einem waschechten Roslagshaushalt aus den Vierzigern. Ländliche Handarbeit von hoher Qualität.«
    Eine klapperdürre Dame um die fünfundsiebzig tauchte an Söderstedts linker Achselhöhle auf und zischte: »Grässlich!«
    Er warf ihr einen erstaunten Blick zu.
    Â»Nicht das geringste Unterscheidungsvermögen«, verdeutlichte die Dame. »Wie sie Krempel und Antiquitäten vermischen, verrät abgrundtiefe Unkenntnis.«
    Â»Kann man auf solchen Auktionen keine Schnäppchen machen?«, fragte Söderstedt und suchte vergebens nach Norlander, um eventuell aus dessen Lieblingsausdruck einen Vorteil zu ziehen.
    Â»Natürlich kann man«, sagte eine Männerstimme in Söderstedts rechtes Ohr. »Gleich kommt hier ein Prachtstück. Ein Schreibtisch. Er soll um halb drei ausgerufen werden.«
    Arto Söderstedt betrachtete den Mann und nickte. Widerwillig sagte er: »Haben Sie vor, dafür zu bieten?«
    Der Mann, robust, gut trainiert, um die fünfzig, zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht«, sagte er. »Ich suche Besteck. Besteck und Krüge. Aber wer weiß?«
    Â»Ich biete vielleicht«, sagte die alte Dame. »Ich habe gehört, dass das Mindestgebot bei zweitausend liegt.«
    Â»Ich habe eins fünf gehört«, sagte Söderstedt und fand die Unterhaltung allmählich ganz angenehm.
    Â»Es ist jetzt vier Minuten vor halb drei«, sagte der Mann und sah auf seine Armbanduhr. Sie weckte Söderstedts Interesse. Eine Rolex, wahrscheinlich späte Fünfzigerjahre, Oyster Perpetual.
    Â»Schöne Uhr«, sagte Söderstedt.
    Â»Ich nenne sie Chronometer«, sagte der Mann mit einem schwachen Lächeln.
    Die Dame fiel ein: »Um Viertel vor drei kommt ein Satz Besteck aus der Jahrhundertwende. Sie könnten ihn sich doch ansehen.«
    Â»Gute Idee, danke«, sagte der Mann und verschwand in der Menge.
    Â»Schön, dass wir den los sind«, sagte die dürre Dame.
    Â»Wieso?«, fragte Söderstedt erstaunt.
    Â»Großkotziger Typ«, sagte die Dame. »Chronometer.« Dann ergriff sie seinen Arm und sagte: »Jetzt geht es los. Mann gegen
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