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Totenmesse

Titel: Totenmesse
Autoren: Arne Dahl
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ein materielles Glück, geradezu ein materialistisches. Die Freude über Gegenstände.
    Es sollte zweischneidig sein, doch so war es nicht. Das Glück, als der Wortschwall aus dem quirligen Mundwerk erneut hervorbrach, war ungetrübt.
    Â»Aber Freunde«, dröhnte es. »Wollen wir diesen prachtvollen Eichenschreibtisch wirklich für lächerliche elftausend gehen lassen? Ist das eines Auktionspublikums dieses Kalibers würdig?«
    Ja, dachte Söderstedt, und es fehlte nicht viel, und er hätte es gerufen.
    Â»Also dann«, rief der Auktionator. »Gestatten Sie, dass ich dem weißhaarigen Herrn in der siebten Reihe gratuliere. Zum Ersten … Zum Zweiten … und Dritten. Verkauft.«
    Als Arto Söderstedt sich mit beflügeltem Schritt einen Weg durch die Menge bahnte, suchte sein Blick vergeblich seinen Kollegen. Er kam vorn an, bezahlte und suchte weiter. Verdammt, Viggo, dachte er. Alles, was ich von dir brauche, ist deine großzügig bemessene Muskelkraft. Den Rest können wir wie üblich vergessen.
    Auf einmal war er da. Hinter ihm. Eine unverkennbare männliche Stimme sagte: »Du hast ihn also bekommen?«
    Die Visage des Kollegen trug ein verschmitztes Lächeln, das Söderstedt nicht richtig kannte. Er zwinkerte kurz und nickte in Richtung des Schreibtischs, um den sich drei robuste Roslagsburschen versammelt hatten und sich die Hände rieben.
    Â»Dann pack mal mit an«, sagte er nur.
    Und Viggo Norlander packte an. Es waren die drei Trägerund nicht zuletzt Arto Söderstedt selbst, die eindeutige Probleme hatten, das Möbel anzuheben.
    Â»Pflegefall«, sagte Norlander und schleppte den Schreibtisch, die Roslagsträger im Kielwasser, davon. Die Menge teilte sich wie das Rote Meer vor Moses. Aus reinem Selbsterhaltungstrieb.
    Â»Make a hole!«, brüllte er wie in einem amerikanischen U-Boot-Film.
    Sie vereinigten sich mit den Familien an der Hausecke. Die Kinder waren ordentlich schneedurchweicht. Und die Mütter fuhren, ungestört von der Außenwelt, in ihrer Unterhaltung fort.
    Auf der Verandatreppe saß ein Mann im Nadelstreifenanzug und mit karierter Fliege und massierte sich das Schienbein. Er blickte zu Söderstedt auf, hob die Hand und drohte mit dem Zeigefinger. »Beim nächsten Mal aber sauberes Spiel, meine Herren«, rief er.
    Söderstedt hielt inne und betrachtete ihn voller Verwunderung. Schließlich brach er in schallendes Gelächter aus.
    Viggo, ach Viggo.
    Dieses verschmitzte Lächeln …
    Vielleicht brauche ich doch nicht nur deine großzügig bemessene Muskelkraft.
    Viggo Norlander selbst erschien total ungerührt und schleppte gemeinsam mit den Roslagsburschen den Schreibtisch zu dem alten Toyota. Söderstedt kam nicht rechtzeitig, um mit Hand anzulegen, als sie den Schreibtisch auf den Dachgepäckträger wuchteten. Dann sprang Norlander in den Wagen. Auf der Fahrerseite diesmal.
    Arto Söderstedt dankte den Trägern mit je einem Zwanziger und forderte mit galanter Geste die Familienschar zum Einsteigen in den Minibus auf. Die Damen würdigten ihn keines Blicks. Einen Moment lang fragte er sich, ob sie überhaupt wussten, wo sie sich befanden.
    Erreckte sich, um die Gummistrippenfestzuspannen. Vonder anderen Seite stieg Norlander noch einmal aus und zog seine Enden fest. Die beiden Kriminalbeamten wechselten zwischen den in die Luft ragenden Beinen des Schreibtischs einen kurzen Blick.
    Â»Danke«, sagte Arto Söderstedt aufrichtig.
    Viggo Norlander lächelte verschmitzt und sagte: »Pflegefall.«

3
    Der Mann sah auf seine Armbanduhr. Er besaß sie seit Jahrzehnten, und sie würde ihn auch diesmal nicht enttäuschen.
    Das wichtigste Mal.
    Er beugte sich übers Lenkrad vor und blickte die Skeppargatan hinauf und hinunter. Eine schicke blonde Frau um die vierzig ging mit einem blauen Paket in der Hand vorbei. Er folgte ihr mit dem Blick und dachte einen Moment lang an eine andere schicke blonde Frau. Sie hatte einen Tragegurt vor der Brust und blickte auf die blaue Meeresbucht hinaus, drehte sich zu ihm um und sah ihm in die Augen, sie strahlte etwas aus, was man als Glück bezeichnen konnte. Dann sah er sie mit blaulila verfärbtem Gesicht und mit Augen, die zur Hälfte aus dem Kopf getreten waren.
    Nein. Weg.
    Städtische Arbeiter in orangefarbenen Overalls schlurften durch den Schneematsch. Er wartete, bis sie vorbei
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