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Totenkünstler (German Edition)

Totenkünstler (German Edition)

Titel: Totenkünstler (German Edition)
Autoren: Chris Carter
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»Als du mich angerufen und mir gesagt hast, ich soll mich in die Datenbank der Sozialbehörden einhacken und nach Adoptionsunterlagen für Olivia Nicholson suchen, fand ich das ziemlich eigenartig. Trotzdem bin ich nie auf die Idee gekommen, sie könnte eine Verdächtige sein. Das Einzige, was mir bei meinen Recherchen komisch vorkam, war, wie schnell die Adoption damals über die Bühne gegangen ist. Die kalifornischen Adoptionsgesetze sind relativ lax«, fuhr sie erklärend fort. »Die einzige Voraussetzung ist, dass der Adoptierte mindestens zehn Jahre jünger sein muss als der Adoptierende. Derek Nicholson hatte gerade sein Jura-Examen gemacht. Er hatte Freunde an wichtigen Stellen. Er kannte überhaupt viele Leute.«
    »Richter«, sagte Garcia.
    »Unter anderem. Mit den richtigen Beziehungen und seinem juristischen Fachwissen hat er es geschafft, alles innerhalb von kürzester Zeit abzuwickeln. In der Regel dauert eine Adoption in Kalifornien zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Derek Nicholson hat weniger als neunzig Tage gebraucht, um alle notwendigen Unterlagen zu beschaffen und anerkennen zu lassen. Es wurden keine Fragen gestellt, alles hatte scheinbar seine Ordnung.«
    »Man muss das Gesetz kennen, um es zu umgehen«, merkte Hunter an.
    »Das ist wahr«, pflichtete Alice ihm bei. »Und wenn man einflussreiche Freunde hat, ist alles möglich.«
    »Okay, aber woher hast du gewusst, dass Olivia sich heute Abend ihr nächstes Opfer holen würde?«, fragte Garcia.
    »Gewusst habe ich es nicht. Ich hatte lediglich einen Verdacht, also habe ich es mit einem kleinen Bluff probiert.« Hunter fuhr sich mit den Fingerspitzen über die zwei Wunden auf seiner linken Wange. Einen Verband hatte er abgelehnt.
    »Einem kleinen Bluff?«, fragte Captain Blake.
    »Ich bin heute früh bei Olivia vorbeigefahren, unter dem Vorwand, dass ich neue Informationen hätte und ihr noch ein paar Fragen stellen müsste. Als Garcia und ich gestern Abend bei Olivia und ihrer Schwester zu Besuch waren, habe ich sie um ein altes Foto von ihrem Vater gebeten. Allison hatte ein Hochzeitsfoto im Wohnzimmer stehen, allerdings war Olivia diejenige, die es mir gegeben hat. Als sie es in der Hand hatte und es sich angeschaut hat, habe ich etwas in ihren Augen bemerkt – eine sehr starke Emotion, die ich zu dem Zeitpunkt noch für Trauer gehalten habe. Als ich heute Morgen dann noch mal bei ihr war, habe ich ihr das Bild zurückgegeben, und da war genau derselbe Ausdruck. Aber es war keine Trauer. Es war irgendwas viel Tiefersitzendes, viel Schmerzhafteres.« Hunter rieb sich flüchtig die Augen. »Also habe ich sie ganz spontan gefragt, ob ihr Vater mit ihr oder ihrer Schwester früher manchmal Schattentheater gespielt hat.«
    »Und hast ihr damit zu verstehen gegeben, dass wir die wahre Bedeutung hinter den Skulpturen kennen«, konstatierte Alice.
    Hunter nickte. »Aber Olivia ist ganz ruhig geblieben. Sie hat sich nichts anmerken lassen, nur so getan, als fände sie die Frage seltsam. Dann wollte ich noch von ihr wissen, ob ihre Mutter jemals mit ihr Schattentheater gespielt hätte, und dabei hat ihre Fassade für einen ganz kurzen Moment angefangen zu bröckeln. Ihr Blick hat sich verschleiert, und ihr Gesicht wurde ganz weich und zärtlich, bevor es dann plötzlich so hart wurde, wie ich es bis dahin überhaupt nicht von ihr kannte. Da habe ich beschlossen, es darauf ankommen zu lassen. Ich habe behauptet, dass es in der Nacht eine entscheidende Wende bei den Ermittlungen gegeben hätte. Wir wären jetzt sicher, dass der Täter nur noch einen weiteren Namen auf seiner Todesliste hätte. Ich habe ihr gesagt, dass wir den Namen dieses letzten Opfers innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden herausfinden würden. Und ab dann würde er rund um die Uhr unter Polizeischutz stehen.«
    Garcia schmunzelte. »Mit anderen Worten: Falls du mit deinem Verdacht recht hattest und sie tatsächlich der Totenkünstler war, hattest du ihr damit durch die Blume mitgeteilt, dass sie innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden zuschlagen muss, wenn sie ihr letztes Opfer noch erwischen will. Du hast sie unter Zugzwang gesetzt.«
    Ein erneutes Nicken von Hunter. »Aber ich hatte keine Zeit, zurück ins PAB zu fahren und einen Antrag auf Observierung zu stellen. Es gab ja nicht mal stichhaltige Gründe dafür. Ein vager Verdacht und ein Kosename – mehr hatte ich nicht in der Hand.«
    »Also haben Sie beschlossen, die Dienstvorschrift – wieder mal –
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