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Totenkünstler (German Edition)

Totenkünstler (German Edition)

Titel: Totenkünstler (German Edition)
Autoren: Chris Carter
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Stadt wie Los Angeles gibt es viele noch leichtere Opfer – Obdachlose, Streuner, Drogenabhängige, Prostituierte … Wenn dem Täter egal war, wen er umbringt, warum hat er dann das Risiko auf sich genommen, in das Haus eines Staatsanwalts einzubrechen und sich dort stundenlang aufzuhalten? Und so allein war Nicholson ja gar nicht. Die Krankenschwester befand sich in der Gästewohnung über der Garage, vergessen wir das nicht. Und wie wir wissen …«, er tippte auf die Aufnahme der blutigen Botschaft an der Wand, »… hat sie den Täter gestört. Gott sei Dank hat sie kein Licht gemacht.« Hunter wandte sich vom Fenster ab und in den Raum hinein. »Glauben Sie mir, Captain, der Täter wollte genau dieses Opfer. Er wollte Derek Nicholson töten. Und er wollte ihn vor seinem Tod leiden lassen.«

8
    Statt in Venice Beach Volleyball zu spielen oder sich die Dodgers anzusehen, verbrachte Hunter den restlichen Tag mit der Sichtung der Tatortfotos. Es war eine zeitraubende Angelegenheit, und die ganze Zeit hindurch quälte ihn dabei eine Frage:
    Was um alles in der Welt ist der Sinn hinter dieser Skulptur?
    Er beschloss, noch einmal zu Derek Nicholsons Haus zu fahren.
    Die Leiche, ebenso wie das makabre Kunstwerk, war ins Rechtsmedizinische Institut gebracht worden. Alles, was blieb, war ein leeres Haus voller Trauer, Schmerz und Angst. Derek Nicholsons letzte Stunden waren in Blut an die Wände seines Schlafzimmers geschrieben, und Hunter las darin nur eins: unvorstellbare Qualen.
    Er starrte auf die Botschaft, die der Täter hinterlassen hatte, und in seinem Innern tat sich ein gähnendes Loch auf. Der Täter hatte Derek Nicholson getötet und dabei noch drei weitere Leben zerstört: die von Nicholsons Töchtern und das der jungen Pflegeschülerin.
    Die Spurensicherung hatte Fingerabdrücke von mindestens vier verschiedenen Personen im Haus gefunden, deren Analyse noch ein bis zwei Tage dauern würde. Darüber hinaus waren im Schlafzimmer im ersten Stock diverse Haare und Faserproben sichergestellt worden. Die mehrstündige Untersuchung des Gartens sowie des Rankgerüsts an der Wand unterhalb von Derek Nicholsons Schlafzimmer hatte keine Ergebnisse geliefert. Es gab keine Spuren gewaltsamen Eindringens. Kein Fenster war eingeschlagen, keine Tür, kein Fensterrahmen oder Schloss beschädigt worden. Allerdings waren zwei der Fenster im Erdgeschoss über Nacht nicht verriegelt gewesen, und die Balkontür zu Mr Nicholsons Schlafzimmer hatte einen Spaltbreit offen gestanden.
    Hunter hatte versucht, mit Melinda Wallis zu reden, aber was Garcia bereits vermutet hatte, war eingetroffen: Sie hatte dichtgemacht. Sie war die Unglückliche, die Derek Nicholsons Leiche in seinem blutgetränkten Schlafzimmer aufgefunden hatte. Ihr Verstand tat sich schwer, diesen Schock zu verarbeiten. Und noch mehr Mühe hatte er, die Gewissheit zu verdrängen, dass sie selbst nur um Haaresbreite dem Tod entkommen war.
    Bei seinem zweiten Besuch am Tatort konzentrierte sich Hunter ganz auf das Schlafzimmer, wo er nach Hinweisen suchte, die er beim ersten Mal womöglich übersehen hatte. Er fand nichts, was die Spurensicherung nicht schon vor ihm gefunden hätte, aber die Brutalität der Szene erschütterte ihn aufs Neue. Es war, als hätte der Täter sich absichtlich bemüht, das Blut im ganzen Raum zu verteilen.
    Die Botschaft an der Wand war nicht Teil seines ursprünglichen Plans gewesen, sondern ein spontaner Akt dreister Provokation. Der gesamte Tatort schien wie ein Schaufenster, durch das man die rasende, sinnlose Wut des Mörders betrachten konnte, und das machte Hunter zu schaffen.
    Es war bereits dunkel, als er wieder in seine Wohnung kam. Er schloss die Tür hinter sich und lehnte sich erschöpft dagegen. Sein Blick glitt durchs dunkle, verlassen daliegende Wohnzimmer, und er fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee war, diese Nacht zu Hause zu verbringen.
    Hunter lebte allein, hatte weder Frau noch Freundin. Er war nie verheiratet gewesen, und keine seiner Beziehungen hatte sonderlich lange gehalten. Auf Dauer kamen die meisten Frauen nicht damit klar, dass sein Beruf ihm so viel abverlangte. Es machte ihm nichts aus, Single zu sein, und allein zu leben störte ihn auch nicht. Aber nach einem Tag, den er zum Großteil umgeben von Tod und bluttriefenden Wänden verbracht hatte, war die Einsamkeit seines kleinen Apartments mehr, als er ertragen konnte.
    Das Nachtleben von Los Angeles gehört zu den lebendigsten und aufregendsten der
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