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Totenkünstler (German Edition)

Totenkünstler (German Edition)

Titel: Totenkünstler (German Edition)
Autoren: Chris Carter
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oben drang. Es war eine Frauenstimme, die sich rasch bis zur Hysterie steigerte. Hunter warf Garcia einen besorgten Blick zu.
    »Eine der Töchter«, sagte er und strebte dem Ausgang zu. »Sorgt dafür, dass die Tür hier zubleibt.« Er verließ das Zimmer, durchquerte rasch den Flur und erreichte die Treppe. Am unteren Treppenabsatz, halb von zwei uniformierten Polizisten verdeckt, stand eine Frau. Sie war vielleicht um die dreißig und hatte langes blondes Haar, das ihr in sanften Wellen über die Schultern fiel. Ihr Gesicht war herzförmig mit blassgrünen Augen, markanten Wangenknochen und einer zierlichen Stupsnase. In ihrer Miene lag ein Ausdruck blanker Verzweiflung. Hunter war bei ihr, bevor sie sich von den Polizisten losreißen konnte.
    »Ist schon gut«, sagte er und hob die rechte Hand. »Ich kümmere mich darum.«
    Die Polizisten rückten von der Frau ab.
    »Was ist hier los? Wo ist mein Vater?« Ihre Stimme war heiser vor Angst und Sorge.
    »Ich bin Detective Robert Hunter vom LAPD«, sagte Hunter mit größtmöglicher Ruhe.
    »Es ist mir völlig egal, wer Sie sind. Wo ist mein Vater?«, fragte die Frau erneut und versuchte sich an Hunter vorbeizudrängen.
    Dieser machte einen kleinen Schritt rückwärts und versperrte ihr den Weg. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Augenblick, und er schüttelte sachte den Kopf. »Es tut mir leid.«
    Sie schloss die tränenfeuchten Augen und fuhr sich mit der Hand zum Mund. »O Gott, Daddy …«
    Hunter ließ ihr einen Moment Zeit.
    Sie erstarrte, dann schaute sie Hunter an, als sei ihr soeben etwas eingefallen. »Was machen Sie hier? Wieso ist die Polizei im Haus? Warum ist draußen alles abgesperrt?«
    Seit die Ärzte vier Monate zuvor die Krankheit bei Derek Nicholson diagnostiziert hatten, war seine Familie auf das Unvermeidliche vorbereitet. Das Ende war absehbar gewesen, insofern kam der Tod des Vaters für seine Tochter nicht wirklich überraschend. Die näheren Umstände hingegen schon.
    »Tut mir leid, ich weiß Ihren Namen gar nicht«, sagte Hunter.
    »Olivia. Olivia Nicholson.«
    Hunter hatte bereits die weiße Stelle an der Haut ihres Ringfingers bemerkt. Entweder war sie kürzlich Witwe geworden oder geschieden. Die meisten Witwen in Amerika haben es nicht eilig, ihren Ehering und den Namen ihres verstorbenen Mannes abzulegen, außerdem sah Olivia noch zu jung aus, um Witwe zu sein, es sei denn, ein tragischer Unfall war der Grund. Hunter tippte auf geschieden.
    »Könnten wir uns vielleicht irgendwo unterhalten, wo wir ungestört sind, Ms Nicholson?«, schlug Hunter vor, während er gleichzeitig in Richtung Wohnzimmer deutete.
    »Wir können uns hier unterhalten«, gab sie herausfordernd zurück. »Was geht hier vor? Was hat das alles zu bedeuten?«
    Hunters Blick schweifte zu den beiden Polizisten, die noch immer in der Nähe der Treppe standen und die Szene neugierig verfolgten. Beide verstanden den Wink sofort und zogen sich in Richtung Haustür zurück. Hunter richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Olivia.
    »Ihr Vater ist nicht an seiner Krankheit gestorben.« Er wartete, bis Olivia seine Worte vollständig erfasst hatte, erst dann fuhr er fort. »Er wurde ermordet.«
    »Was? Das … das ist doch absurd.«
    »Bitte, setzen wir uns doch irgendwo hin«, bat Hunter noch einmal.
    Olivia atmete aus. Wieder traten ihr Tränen in die Augen. Endlich gab sie nach und folgte Hunter ins große Wohnzimmer. Hunter wollte nicht, dass sie sich im selben Raum aufhielt wie die Pflegerin.
    Olivia nahm in einem hellbraunen Sessel am Fenster Platz. Hunter wählte das Sofa gegenüber.
    »Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?«, fragte er.
    »Ja, bitte.«
    Hunter wartete an der Tür, während ein Uniformierter zwei Gläser mit Wasser holte. Eins davon reichte er Olivia, die es in einem Zug austrank.
    Hunter setzte sich wieder und erklärte mit ruhiger, fester Stimme, dass sich in den frühen Morgenstunden jemand Zutritt zum Haus und zu Mr Nicholsons Schlafzimmer verschafft habe.
    Olivia zitterte und schluchzte die ganze Zeit und wollte – verständlicherweise – kein Wort glauben.
    »Wir wissen noch nicht, warum Ihr Vater ermordet wurde. Wir wissen auch nicht, wie der Täter ins Haus gelangt ist. Im Augenblick gibt es eine ganze Wagenladung voller Fragen und keine Antworten. Aber wir werden alles daransetzen, sie zu finden.«
    »Mit anderen Worten, Sie haben keinen blassen Schimmer, was passiert ist«, gab sie aufgebracht zurück.
    Hunter schwieg.
    Olivia
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