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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang
Autoren: Sinje Beck
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und ich nutze die Zeit, um Schere und Feile wieder aus den Haaren zu zupfen, sie in ein Beutelchen mit Wattepads, die an einem Haken an der Tür hängen, zu packen und den gesamten Beutel mit einer Haarklammer, die ich auf der Ablage eines Eckschränkchens erspäht habe, in den Falten des Gewandes zu befestigen. Der Beutel baumelt mir jetzt um die Hüften. Ich hoffe nur, dass die Haarnadel hält, das dünne Plastik des Beutels nicht ausreißt und ich im Notfall schnell die Waffen zücken kann.
     
    Keine Sekunde zu spät bin ich mit meiner Ausstattung fertig. Als Franky wieder ins Bad kommt, sieht er mich, wie ich die letzten Tröpfchen aus mir herausschlage, wer weiß, wann ich das nächste Mal dazu kommen werde, und die Spülung betätige.
     
    Mit einem entschlossenen Schritt tritt er seitlich hinter mich und mir wird sehr, sehr seltsam. Ein furchterregender Schauer läuft mir über die Haut. Ich werfe einen zaghaften Blick zu seinem Gürtel hinunter, die Waffe steckt griffbereit in seinem Hosenbund, seine Hand ist maximal fünf Zentimeter davon entfernt. Jetzt fingert er mir mit der anderen Hand an den Haaren herum. Kriegt das Gummi nicht ab und reißt.
    »Ja, ja, ja, ja, ja, genau, so wird es was«, spricht er zu sich selbst, während er mir am Kopfschmuck wühlt und ihn in lockeren Strähnen über meine Schultern verteilt. Dabei tritt er hin und wieder ein Stück von mir zurück, betrachtet das Ergebnis seiner Strubbelei und murmelt. Heiner, flüstert Kalle, was ist mit dem Typ? Nichts, nichts, mein Junge, ein Friseur vielleicht, drücke ich mich um eine Erklärung, denn das mit der Homo- oder Bisexualität soll ihm seine Mutter erklären.
    »Perfekt!«, staunt Franky, wobei er nicht mich meinen kann, sondern vielmehr seine Vorstellung von mir, nach erfolgter Maskerade.
    »Hier«, knallt er mir einen Fön vor die Brust, »über Kopf trocknen, mit dieser Düse«, er reicht mir so einen runden Aufsatz mit gleichmäßig angeordneten Stäben, wobei ich nie wusste, wozu frau das braucht.
    »Und hier«, kriege ich ein Fläschchen gereicht, »das nimmst du auch. Damit die ganze Sache Stand bekommt.« Festiger. Ich fass es nicht. Wo bin ich bloß hier hineingeraten?
    ›Rocky Horror Picture Show.‹
     
    Franky setzt sich auf das Klo und legt die Waffe auf mich an.
    »Damit du nicht zweifelst, wie ernst mir das ist, Freund!«
    Benutze den Fön wie einen Wurfhammer, rät Kalle, und diese komische Düse soll er sich in den Arsch schieben. Kalle!
    Die Waffe klickt. Frankys Finger ist am Abzug. Meine Angriffspläne auch. Sie ziehen ab und ich bücke mich, um mir die Haare über Kopf zu fönen. Dabei wende ich mein Gesäß der Badewanne zu, die sich gegenüber der Toilette befindet. Besser ist das.
     
    Mit der heißen Luft wirbeln mir neue Gedanken durch den Kopf. An Donars Tag soll ES geschehen. Felicitas wird ihre besondere Rolle spielen und ich bin jetzt ein Teil vom Theater. Wie es klang, hat sich des Spielleiters Plan zum Guten gewendet, für ihn und für sein Spiel, daher wird er mich noch brauchen, halte ich wiederholend zur Beruhigung fest.
    Es wird Gelegenheiten geben. Ja, muss es einfach. Ich muss ihn knacken, diesen Irren. Vielleicht bei seiner Eitelkeit. Denn eitel ist er, keine Frage, so wie er sich gebärdet – er führt sich auf wie ein, wie ein … überlege ich. Wie ein Gott, findet der Advokat einen treffenden Begriff und ich ergänze: oder wie ein Satan. Gottsatan in einem? Heiß, verdammt, habe den Fön zu lange über eine Stelle am Hinterkopf gehalten.
    Flüchtig erhasche ich einen Blick auf mein Spiegelbild und erkenne mich kaum wieder. Kein Wunder, dass die alte Dame, Fräulein Hedwig, als sie meiner ansichtig wurde, vom Heiland gesprochen hat. Ich sehe aus wie auf einem der Kitsch-Ikonen. Wallendes grau-schwarzes Haar umgibt mein Gesicht.
    »Wunderbar. Jetzt noch der Lockenstab«, befiehlt Franky und Kalle mault, dass er sich den zur Föndüse schieben könne. Mein entgeisterter Blick lässt Franky die Waffe erneut in Position bringen. Sie zielt genau auf meinen Sack.
     
    Die Türklingel scheint mir eine zweite Pause zu gönnen, oder sollte ich sagen, einen zweiten Vorhang.
    »Ach, egal«, entscheidet Franky, »die Details können wir später ausfeilen.«
    Er packt mich, ruft in Richtung Tür, er käme gleich, und sperrt mich in den Keller. Mache ihn wütend, dann wird er Fehler begehen, sich verplappern oder was auch immer. Lass dir was einfallen, bevor er die Tür ins Schloss fallen
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