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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen
Autoren: Susanne Hornfeck
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Wallenburger, der Leiter der Brandenburger Konditorinnung, dem Vaters Betrieb schon immer ein Dorn im Auge gewesen war. Nun hatte er sich, die Notlage der Finkelsteins nutzend, für eine lächerlich geringe Summe einen Konkurrenten vom Hals geschafft und einen gut gehenden Zweitbetrieb erworben. Inge hätte ihm am liebsten in den Teig seiner Weihnachtsplätzchen gespuckt.
    Doch unter der südlich heißen Mittagssonne verflüchtigen sich solche Gedanken rasch. Weiter ging’s,vorbei an den Hütten der Kanalaufseher, die wie Bahnwärterhäuschen an der Strecke lagen, vorbei an vereinzelten Palmen und großen Schaufelbaggern, die die Fahrrinne vom angewehten Wüstensand frei hielten. Dann weitete sich der enge Kanal plötzlich zu einer glitzernden Bucht. Hier lag das Städtchen Ismailia, wo der Dampfer kurz anlegte, weil der Lotse wechselte. Wieder belagerten Boote mit reichhaltigem Warenangebot das Schiff. Inge bewunderte gerade das Obst und die verschiedenen Dattelsorten, als unter ihr der Gong erscholl: »Platz nehmen zum zweiten Menü!«
    »Ach herrje, ich muss zum Essen.«
    »Geht ja ganz schön vornehm zu bei euch«, bemerkte Max. »Uns muss keiner zum Essen rufen. Da werden bloß ein paar Schüsseln auf den Tisch gestellt, und wer zu spät kommt, hat das Nachsehen. Und mit Extrabestellungen ist nicht. Dafür würde meine Mutter niemals Geld rausrücken.«
    »Ja, ja, ›Wer weiß, was noch kommt‹, das kenn ich von meiner«, ergänzte Inge. »Bis nachher. Ich muss los.«
     
    Frau Finkelstein erwartete ihre verschwitzte ungekämmte Tochter schon am Esstisch. »Hab ich dir nicht gesagt   …«, zischte sie.
    Inge ließ sämtliche Vorwürfe stoisch über sich ergehen. Sie wusste genau, dass ihre Mutter mit Rücksicht auf die Schwabs nicht laut werden würde. In Rekordgeschwindigkeit schlang sie ihr Essen hinunter. Den Mittagschlaf, der sich seit Antritt der Schiffsreise eingebürgert hatte, konnte sie diesmal erfolgreich abwehren:»Das geht heute nicht, Mama, auf gar keinen Fall. Wirklich nicht. Ich muss wieder rauf zu Max. Paolo hat uns einen tollen Ausguck gezeigt, ganz oben beim Kapitän. Die Fahrt durch den Kanal ist so spannend, schlafen kann ich noch, wenn wir wieder auf dem Meer sind.«
    »Du tust ja gerade so, als käme das Schiff ohne euch nicht durch den Kanal«, bemerkte Frau Finkelstein, ließ ihre Tochter aber schließlich doch ziehen. »Und vor dem Abendessen wird sich umgezogen, mein Fräulein. Ich schicke Paolo, wenn du nicht pünktlich bist.«
    »Capito!« Darauf würde sie’s gern ankommen lassen, dachte Inge. Im Vorbeigehen griff sie sich noch ein paar Petit Fours vom Nachspeisenbuffet.
    Auf dem Weg zurück zum Ausguck rannte sie prompt in Paolo. Sein Blick fiel auf die mit süßen Teilchen gefüllte Serviette.
    »Sie nicht satt geworden, Signorita?«, fragte er mit gespieltem Entsetzten.
    »Ich wachse doch noch, Paolo«, konterte Inge dem Kabinensteward mit unschuldigem Augenaufschlag.
     
    Der kurze Halt in Ismailia lag längst hinter ihnen, sie durchquerten jetzt die Bitterseen. Platz gab es hier eigentlich genug, dennoch mussten sich die Schiffe an die enge, mit Pfählen markierte Fahrrinne halten. Nur dort war tief genug ausgebaggert, dass die Dampfer mit ihrem beträchtlichen Tiefgang nicht stecken blieben.
    Inge und Max spielten Flaggenraten. Richtig internationalging es hier zu, und sie kannten bei Weitem nicht alle Hoheitszeichen der entgegenkommenden Personen- und Frachtschiffe. In einem solchen Fall mussten sie warten, bis am Bug des entgegenkommenden Schiffs der Heimathafen zu entziffern war.
    Gegen Abend legte sich unvermittelt ein rosiger Schimmer über die eintönige Landschaft; es wurde so schnell dunkel, als hätte jemand das Licht ausgeknipst. Die beiden hatten gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen war. Vorn am Bug wurde ein zusätzlicher Scheinwerfer angeschaltet. Er bildete einen Lichtkorridor, durch den das riesige Schiff   – mittlerweile wieder in den engen Begrenzungen des Kanals   – in gespenstischer Stille dahinglitt. An den unbeleuchteten Ufern war kaum noch etwas zu erkennen.
    Ende, Fin, The End
– die Kinovorführung war für heute beendet.
    Inge und Max verabredeten sich für den nächsten Morgen am gewohnten Platz, ganz gleich, wo das Schiff sich dann befinden würde. Diesmal schaffte Inge es sogar noch rechtzeitig in die Kabine, wusch sich endlich mal die Hände und tauschte das verschwitzte, vom Ruß der Schiffsschlote leicht angegraute Kleid gegen ein
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