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Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition)

Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition)

Titel: Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition)
Autoren: Jörg Kohlmeyer
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dennoch, Vorsicht war geboten. Sie hatte kein Interesse daran, hier entdeckt zu werden. Das Verhalten der Person dort unten würde nun über Leben oder Tod entscheiden. Sollte sie Shachins Lager zu nahe kommen, musste sie sterben.
          Es fing langsam an zu dämmern. Die Schatten begannen damit, dem diffusen Licht der aufgehenden Sonne Platz zu machen. Shachin harrte noch immer hinter dem Findling aus und beobachtete die kleine Kapelle. Zunächst hatte sie angenommen, dass es sich um einen einfachen Gläubigen handelte. Doch nach einiger Zeit kam sie zu dem Schluss, dass er dafür irgendwie zu geordnet, zu diszipliniert aussah. Sie hatte einen Soldaten vor sich, da war sie sich nun sicher. Vermutlich war er ein Mitglied der Stadtwache, nur in Zivil.
          Shachin sah sich um. Sie musste hier weg. Ihr Versteck hinter dem Findling war zu exponiert, und im Licht des hellen Tages konnte man sie von weiter oben deutlich erkennen. Leise richtete sich Shachin auf. Im Schutz einiger kleiner Felsen machte sie sich auf den Weg in die Senke. Noch rührte sich der Soldat nicht, doch, so fürchtete sie, war das nur noch eine Frage der Zeit. Für ihn gab es nur den Weg über den kleinen Steig und dann würde er sie zwangsläufig entdecken. Nach ein paar Schritten hatte Shachin den Boden der Senke erreicht. Sie hielt sich links und näherte sich der Gestalt von Süden. Leise und jeden Schatten dabei ausnutzend, arbeitete sie sich Schritt für Schritt nach vorne. Dann hatte sie den Soldaten im Profil. Er war noch sehr jung, womöglich knapp über zwanzig Winter alt. Das flachsblonde Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Die Hände der kräftigen Arme waren zum Gebet gefaltet, seine Augen geschlossen. Er trug nur schlichte Kleidung und hatte augenscheinlich keine Waffen bei sich. Sie wusste nicht warum, doch würde es ihr Leid tun, müsste sie ihn wirklich den Hauch des Todes spüren lassen. Irgendwo in der Nähe krähte ein Hahn und beim dritten Schrei ging plötzlich ein Ruck durch den jungen Soldaten am Altar. Schwerfällig, vermutlich vom Blutstau durch die unbequeme Haltung behindert, setzte er sich hin. Ein paar Minuten später stand er auf und machte sich schließlich auf den Weg. Nun hatte Shachin die Möglichkeit, den Soldaten genauer zu mustern. Er war groß gewachsen und seine Bewegungen machten trotz der unscheinbaren, einfachen Gewandung unmissverständlich klar, dass er etwas vom Kampf verstand. Sie war froh, dass hier kein Blut mehr fließen musste. Hinzu kam, dass er höchstwahrscheinlich Mitglied der Stadtwache war, vermutlich sogar ein Offizier.
          Nachdem sie den Soldat nicht mehr sehen konnte, betrat Shachin die alte Kapelle. Hinter dem Altar ging es noch ein Stück weiter, in eine Art Grotte hinein. Die kleine Höhle war dunkel und von außen nicht zu entdecken. Von innen hingegen hatte man einen guten Überblick auf den Steig und den unmittelbaren Altarraum. Einziger Makel an diesem Unterschlupf war, dass es keinen alternativen Fluchtweg gab. So wie man hinein kam, musste man auch wieder hinaus. Ein Feind, der wusste wo sich sein Opfer befand und noch dazu in der Überzahl war, konnte aus dem vermeintlich guten Versteck schnell eine Todesfalle werden lassen. Shachin wusste das. Und dennoch, bisher war sie der Meinung gewesen, dass es in Leuenburg keines geheimen Fluchtweges bedurfte. Tödlich, wenn sie sich irren sollte.
          Die Schattenkriegerin wartete noch ein paar Stunden ab. Sie wollte ganz sichergehen, dass ihr der Meister nicht doch gefolgt war. Stumm und unbeweglich betrachtete sie den Steig und das Vorfeld der Kapelle. Nichts geschah, nicht einmal Gläubige verirrten sich an diesem Tag hierher. Erst nachdem sie sich ganz sicher war, ließ sie sich erschöpft auf ihr Lager sinken. Sofort fiel ein Teil von ihr in einen tiefen, erholsamen Schlaf, der andere hingegen wachte. Genau so, wie sie es in den vielen Jahren ihrer Ausbildung gelernt und auch danach immer und immer wieder praktiziert hatte. Shachin schlief. Sie schlief den Schlaf der Schatten.
     

Ermittlungen
     
     
    Hauptmann Taris nahm die Sache sehr ernst. Einem Mord in Sieben Schänken musste man nachgehen, keine Frage, doch der Einbruch in die Garnison war erschreckend und gefährlich zugleich, eine Erschütterung der Sicherheit der ganzen Stadt. Ein Angriff auf die Stadtwache, und das war der Einbruch zweifelsfrei, kam einem Angriff auf den Herzog gleich und musste mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden.
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