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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition)
Autoren: Lea Nicolai
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Sterndeuter unter den Zuschauern. Familien, ältere Herrschaften und Studenten bildeten jedoch die Überzahl. Es waren Schattenseelen – Menschen ohne einen Funken von magischem Talent. Die eigentliche Anziehungskraft des WizzQuizz bestand darin, Normalsterbliche für die Kunst der Zauberei zu begeistern. Hexen wie Ravenna waren Exoten – und in diesem bunten Zirkus stellte man sie aus.
    »Ravenna«, raunte Vadym ihr zu. Beim Sprechen rollte er das R. »Cherzlich willkommen.«
    Sie verzog das Gesicht. Offenbar hatte Vadym Unterstützung mitgebracht. Seine Freunde lümmelten hinter ihm auf den Sitzen und feuerten ihn mit ironischen Zurufen an.
    »Gleich werden wir sehen, ob Ravenna eine Herausforderung für unseren Champion darstellt!«, verkündete der unsichtbare Moderator. »Möge das Duell der Zauberer beginnen!«
    Das Licht erlosch, die Zuschauerränge wurden dunkel. Ravenna drehte sich zu ihrem Bildschirm um. Blaue Punktstrahler beleuchteten sie und Vadym. Der Russe beugte sich vor und legte die Hände auf die Konsole. Die erste Frage war meist ausgesprochen lächerlich, ein Spaß für die Zuschauer, falls der Favorit und der Herausforderer nicht schnell genug handelten. Denn in der Auswahlrunde kam es vor allem auf die Reaktionsfähigkeit der Kandidaten an.
    Ravenna klemmte die Unterlippe zwischen die Zähne. Sie starrte auf den Bildschirm, um keine Millisekunde zu verpassen. Ein Gong ertönte. Die erste Aufgabe erschien auf dem Touchscreen.
    Ergänzen Sie folgenden Ausdruck: Hokus
    a) Lokus b) Fokus c) Pokus d) Krokus.
    Ravenna wählte die Antwort aus und schlug auf den Buzzer. Ein hässliches Summen bestätigte ihre Entscheidung. Vadyms Augen schillerten, als er in ihre Richtung schaute. War sie wirklich flinker gewesen als der Favorit?
    Unvermittelt feuerten die Lichtkanonen auf sie. Ein Tusch ertönte. Die richtige Lösung erschien in einer Art Flammenschrift an der Wand. Antwort C. Ravenna atmete wieder und versuchte zu lächeln.
    Geschafft! Sie hatte die Auswahlrunde des WizzQuizz hinter sich. Jetzt durfte sie sitzen bleiben.
    »Kompliment«, raunte Vadym ihr zu. Gleichzeitig musterte er sie wie einen appetitlichen Happen. Offensichtlich sah er sie nicht als ernstzunehmende Konkurrentin an.
    Unter der Konsole ballte Ravenna die Fäuste. Abwarten, sagte sie sich. Ruhig Blut. Schließlich war sie nicht hergekommen, um gegen einen Typen zu verlieren, der nicht einmal wusste, wie man einen einfachen Bindezauber zustande brachte.
    Hunderttausend Euro. So hoch war die Gewinnsumme in der ersten Runde. Sie brauchte das Geld. Sie brauchte es dringender als sonst irgendetwas, denn ihre derzeitige Lage war völlig verzweifelt. Sie hatte ihr ganzes Geld für die Suche nach Yvonne ausgegeben. Zum Glück bezahlte der Sender das Hotelzimmer, aber das war auch schon alles. Falls sie an diesem Abend verlor, saßen sie und Lucian ohne einen Cent in der Tasche in der Hauptstadt fest.
    Sie drehte sich zu ihrem Begleiter um. Lucian saß hinter ihr in den Zuschauerrängen. Obwohl ihm die auf Mittelalter getrimmte und mit Technik gespickte Umgebung des Studios höchst seltsam vorkommen musste, wirkte er entspannt. Er hatte die Hände um ein Knie verschränkt und grinste ihr ein bisschen unverschämt zu. Lucian konnte das wie kein Zweiter: cool wirken, wenn andere nervös wurden. Ravennas Herz fing an zu klopfen, als sie ihn betrachtete. Er gefiel ihr jedes Mal mehr: braunes Haar, dunkle Augen und ein sanfter Blick, der sich in Stahl verwandeln konnte, wenn man ihn herausforderte. Sein Körper war von unzähligen Stunden im Sattel und auf dem Übungsplatz wie gemeißelt. An diesem Abend trug ihr Ritter moderne Kleidung: ein Hemd, eine graue Hose, elegante Schuhe. Niemandem würde auffallen, wie wenig Lucian in ihre Welt gehörte – solange er nicht den Mund aufmachte.
    Sie lächelte ihm zu. Lucian nickte aufmunternd. Du schaffst das schon, sagte dieser Blick. Schließlich bist du eine der Sieben.
    Ravenna holte tief Luft. Jeden Samstagabend nach dem Ende der Sendung las ein Medium die Namen der nächsten Teilnehmer von einem Zauberbrett. Ravenna hatte gejubelt vor Erleichterung, als ihr Name endlich genannt wurde. Sie war Lucian um den Hals gefallen, denn sie wollte unbedingt am WizzQuizz teilnehmen.
    Und zwar genau bis zu dem Moment, in dem das Licht anging.
    Die Assistentin trippelte herbei und stellte ein Glas auf ihre Konsole. Ravenna trank einen Schluck von dem eiskalten Wasser. Sie hatte einen salzigen Geschmack im Mund
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