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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition)
Autoren: Lea Nicolai
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Zuletzt legte Morrigan den beiden Freunden die Hände auf die Scheitel.
    »König des Mittelalters und König der zwei Welten. Ihr habt es so entschieden, und so soll es sein. Ich ernenne euch hiermit zu den Wächtern des Stroms. Von diesem Augenblick an sollt ihr die Magie der Sieben bewahren, denn sie ist es, die uns zu wahren Hexen macht.«
    Als Lucian aufstand, zog Ferran de Barca sein Schwert. Sofort griffen die Ritter Darlach und Chandler nach ihren Waffen. Auch am Tor kam Bewegung in die Wächter, ihre Stiefelsohlen scharrten auf dem Pflaster.
    Doch der Graf streckte das große Silberschwert lediglich flach vor sich aus.
    »Mein König«, stieß er hervor. Dann blickte er verwirrt auf. »Oder sollte ich besser sagen: meine Könige? Ich gestehe, ich begreife die Entscheidung des Konvents nicht ganz. Zwei Herrscher, halb im Diesseits und halb jenseits der Tore … das ist schwer zu verstehen. Aber eines habe ich nun begriffen, Lucian. Ich weiß jetzt, wie viel dir meine Tochter bedeutet hat. Dass du sie mit dem Namen deines Sohnes ehrst, berührt mich sehr.«
    Lucian stand an der Bande. Als Lamar sich in seinen Armen streckte und ihm ans Kinn fasste, lächelte er.
    »Unter diesen Umständen erkenne ich Morrigans Entscheidung voll und ganz an«, erklärte Ferran de Barca. »Lucian, Ramon. Mein Schwert wird euch dienen, solange ich lebe.«
    Er verneigte sich. Dann steckte er die Klinge fort. Auch die Gräfin von Navarra sprach den Schwur der Lehenspflicht und knickste tief. Nach und nach kamen nun die anderen Adeligen herbei und folgten dem Beispiel der Aufrührer.
    Ravenna war zutiefst erleichtert. Aus Aufständischen wurden treue Lehnsherren. Die Grafen und Barone des Hexenreichs schworen dem neuen Königspaar die Treue – das hatten Lucian und Ramon gewollt. Somit war die Gefahr eines neuen Krieges gebannt.
    Sie lauschte auf die Worte, die jeder der Adeligen sprach, achtete auf die Namen der Burgen und Provinzen. Mit jedem Schwur dehnte sich das Reich der Hexen weiter aus. Es wuchs und wurde zuletzt beinahe so mächtig wie zu Constantins Glanzzeiten. In den kommenden Jahrzehnten würden die Sieben wieder von einem Meer zum anderen herrschen – über das Königreich der Magie.
    Als der letzte Gefolgsmann seinen Schwur geleistet hatte, brandete Applaus auf. Die Menschen jubelten. Es war unmöglich zu unterscheiden, ob sie Ramon oder Lucian meinten – oder vielleicht beide.
    Ramon fasste Norani um die Hüfte, zog sie zur Treppe und winkte den Pagen zu, die hinter den Sitzreihen warteten. »Ein Umtrunk für alle!«, rief er. »Beeilung! Nicht, dass es später heißt, die neuen Könige hätten ihre Gäste verdursten lassen.«
    Gelächter brandete auf. Das Klatschen wurde lauter, als Diener durch die Reihen schritten. Sie verteilten Becher und überschäumende Krüge unter den Gästen. Plötzlich erinnerte Ravenna sich an ein Versprechen.
    »Morrigan?«
    Sie trat zu der Hexengöttin, die bereits ihr Bündel schnürte. Morrigan blieb nie lange an einem Ort. Als Ravenna zu ihr kam, richtete sie sich auf. Da war er wieder, der Geruch von Kiefernharz und Schnee. Er strömte aus dem fransigen Fellmantel.
    »Ich habe eine Bitte«, sagte Ravenna leise. »Siehst du Elinor dort an der Mauer stehen? Sprich wenigstens ein paar Worte mit ihr. Sie hat so lange auf dieses Zusammentreffen gewartet. Fast ihr ganzes Leben lang.«
    Morrigan verengte die Augen zu Schlitzen. »Soweit ich weiß, plagte sie die Menschen in ihrer Umgebung ihr Leben lang mit schwarzer Zauberkunst. Dich eingeschlossen.«
    Morrigan sah sie an. Ihr Blick war blau und durchscheinend wie Eis.
    »Das war einmal«, sagte Ravenna. »Aber auf dem Montmago hat sie mir geholfen. Ohne sie wären Yvonne und ihr Baby jetzt tot. Und das Tor hätte alle Menschen dort oben verschlungen.«
    Elinor schien gemerkt zu haben, dass sie über sie sprachen. Sie schaute verunsichert zu ihnen her, eine Dame in glänzendem Schwarz. Plötzlich wirkte sie überhaupt nicht mehr wie die überlegene Burgherrin.
    Ayneir! , rief Ravenna den Raben. Der Vogel flatterte empor, hielt direkt auf sie zu und ließ sich auf ihrem Arm nieder. Als sie seine Krallen spürte, zuckte sie zusammen.
    »Glaubst du nicht, es würde etwas verändern, wenn du sie anerkennst? Zum Guten, meine ich.«
    Morrigan seufzte. Sie schaute nicht zu ihr her, sondern sah die Hexe vom Hœnkungsberg an.
    »Wenn ich deinem Wunsch nachkomme« begann sie schließlich und drehte sich zu Ravenna um, »solltest du dir über
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