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Tonio

Tonio

Titel: Tonio
Autoren: A.f.th. van Der Heijden
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hinten? Und jetzt nicht wieder so albern sein und Arsch sagen. Das kennen wir langsam.«
    »Rotenstreich natürlich.«
    »Was ist der Nachname von Opa Natan?«
    »Rotenstreich natürlich.«
    »Und du, Sohn von Mirjam Rotenstreich und Enkel von Natan Rotenstreich, wie lautet dein Nachname?«
    Lachend: »Van der Heijden natürlich. Wie du.«
    Tonio warf sein Kuscheltuch triumphierend nach oben, er wollte immer die Decke erreichen, was aber selten gelang. Es war sein liebstes Sabbeltuch, weiß mit roten Noppen, aus einer alten Baumwollbluse von Mirjam geschnitten. Dem Schnuller hatte er schon vor einiger Zeit abgeschworen, und auch für so ein Schmusetuch war er inzwischen zu alt, aber ganz ohne ging es noch nicht. Das Tuch fiel herunter und landete auf seinem Kopf. »Ups.«
    »Wie viele Söhne hat Opa Natan?«
    Tonio tat so, als zählte er sie an seinen Fingern nach, undsagte dann: »Keinen. Nur zwei Töchter. Mama und Tante Hinde. Das sind Schwestern.«
    »Opa Natan ist in den Achtzigern. Er besitzt nicht das ewige Leben. Und Mirjam und Hinde … wir hoffen natürlich, daß die Schwestern Rotenstreich noch ganz lange unter uns weilen. Aber irgendwann ist Schluß. Dann ist der Name Rotenstreich ausgestorben.«
    »Ja, wenn nämlich Tante Hinde und Onkel Frans Kinder kriegen, heißen die auch van der Heijden. Ihr seid zwei Brüder, verheiratet mit zwei Schwestern. Stimmt doch, Adri?«
    »Deshalb gibt‘s auch doppelt soviel Krach in der Familie«, sagte ich. »Aber das ist ein anderes Problem.«
    »Hat Opa Natan keine Brüder?«
    Tonio ließ sein genopptes Tuch ganz schnell kreisen, in einer Schleuderbewegung. Er schaute mit zusammengekniffenen Augen dem imaginären Geschoß nach, das er wegkatapultierte. Treffer. Er ballte die Faust. »Yesss …!«
    »Brüder, nein. Er hatte mehrere Schwestern. Die sind im Zweiten Weltkrieg von den Nazis ermordet worden. Genau wie seine Eltern und der gesamte Rest der Familie. Jetzt tragen nur noch drei Menschen auf der Welt den Namen Rotenstreich.«
    »Weißt du, Adri … in der Schule ist ein Junge, der heißt wie seine Mutter. Er hat keinen Vater. Wenn Tante Hinde jetzt …«
    »Oh? Das wird Onkel Frans bestimmt gefallen.«
    »Ups. War wohl nix.«
    Tonio legte sich das Tuch über Kopf und Gesicht.
    »Ich habe gerade auch einen Fehler gemacht«, sagte ich. »Etwas verschwiegen. Vor Jahren hat Opa Natan nämlich in alten Registern und so Nachforschungen über seinen Familiennamen angestellt. Er hat nur tote Rotenstreichs gefunden. Bis auf einen. Einen Professor Rotenstreich in Jerusalem. Opa Natan hat mit ihm telefoniert. Der Mann behauptete steif und fest, sie könnten nicht miteinander verwandt sein.Er wollte auch keinen weiteren Kontakt. Also wieder eine tote Spur.«
    Einen Moment lang war es still. Tonio hatte sein Tuch zurückgeschoben, so daß er aussah wie ein kleiner Pharao. »Adri«, schmeichelte er jetzt, »du wolltest mir doch erzählen, warum ich keine zwei Vornamen habe.«
    »Du hast auch kein Fitzelchen Geduld! Ohne diesen Umweg über den Namen Rotenstreich würdest du überhaupt nichts kapieren. Ich steuere behutsam auf das Ziel zu.«
    »Oh, ‘tschuldigung.« Er ließ sich laut lachend zurückfallen und warf gleichzeitig das zu einem Ball zusammengeknautschte Kuscheltuch in die Höhe. Das Ding berührte lautlos die Zimmerdecke und kam dumpf wieder auf. »Yesss …!«
    »Hör zu, Totò, ich erzähl dir jetzt, was für ein Trottel dein Vater ist. Das hörst du bestimmt gern.«
    »Ja! Ja!«
    »Von dem Moment an, als Mirjam schwanger wurde, haben wir gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht, wie man diesen bedrohten Namen … Rotenstreich … mit dem unseres künftigen Kindes verbinden könnte.«
    »Hä?«
    »Heutzutage, bei all den exotischen Stammbäumen, wundert sich niemand mehr über einen merkwürdigen, langen Vornamen. Schon gar nicht, wenn es der zweite oder dritte ist. Als du geboren wurdest … ich weiß nicht, ob man damals schon Phantasienamen auf dem Einwohnermeldeamt angeben durfte. Wenn du was nicht verstehst, dann sag‘s ehrlich.«
    »Ich weiß nicht, was ein Einmelder …«
    »Wo wir alle registriert sind. Alle Einwohner von Amsterdam. Wo ich dich am Tag nach deiner Geburt angemeldet habe …«
    »So ähnlich wie bei einem Hotel.«
    »Einchecken, ja. Wir wollten es einfach mal probieren. Ein Verleger hatte uns geraten, die Sache in einem Brief an dieKönigin anzusprechen. Majestät, haben Sie Erbarmen, es geht um einen seltenen Namen, et cetera, et cetera …
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