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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
Autoren: A. G. Stoll
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Wie gut, dass sie die Verkleidung benutzt hatte.
    Der Einreisebeamte warf nur einen flüchtigen Blick auf den gefälschten Ausweis und winkte sie durch. Sie folgte der Aufforderung und stolperte dabei fast über die eigenen Füße.
    Sorgsam verstaute sie das Dokument wieder in der Innentasche ihres Mantels. Dort hielt sie ebenfalls den größten Teil des Geldes gemeinsam mit den restlichen Goldmünzen verborgen.
    So gern sie sich auch bei Brigit und Fiona bedankt hätte, auf sie zu warten, wäre zu gefährlich gewesen. Sie durfte ihr Glück nicht überstrapazieren, also suchte sie den Ausgang.
    Draußen erwartete sie eine fremde Welt.
    Überwältigt starrte sie auf endlose Häuserschluchten und breite Straßen, die schnurgerade bis an den Horizont zu gehen schienen. Dampfkutschen, deren Fahrer allesamt lebensmüde wirkten, jagten in so kurzer Entfernung vorbei, dass sie einen Schritt zurückmachte. Ein Arsenal an Hupen, Tröten und Zischen malträtierte ihre Ohren, als wäre sie in der Hölle gelandet. Die Menschen um sie herum nahmen keinerlei Notiz von dem ohrenbetäubenden Krach. Stattdessen gestikulierten sie, redeten und schrien in fremden Sprachen aufeinander ein. Einer lauter als der andere. Jemand rempelte sie an. Sie stolperte und fiel beinahe hin. Wilde Flüche prasselten auf sie ein. Die Frau, die mit ihr zusammengestoßen war, schien irrtümlicherweise ihr die Schuld zu geben und trat in ihre Richtung. Kate rang noch um Worte, da mischte sich ein bulliger Kerl ein. Er schob Kate ein Stück zur Seite und beschimpfte die Fremde: »Irres Weib, lass den jungen Herrn in Ruhe. Sieh zu, dass du weiterkommst.«
    Zum Glück verschwand die Frau schnell im Gewimmel der Leute. Ihr Helfer nickte Kate nur zu und ging ebenfalls weiter. Sie rief ihm ihren Dank hinterher, doch er reagierte nicht. Verunsichert lief sie los, die Reisetasche an die Brust gepresst. Sie wollte weg von hier und versuchte, nicht wie ein hilfloser Fremder zu erscheinen.
    Easton hatte sie sich wahrhaftig anders vorgestellt. Zivilisierter, ruhiger und freundlicher. Bis sie Gustav gefunden hatte, würde sie ihre Tarnung beibehalten. Ein junger Mann lebte sicherlich weniger gefährlich.
    Das Gepäck verwandelte sich allmählich in Blei und die Füße schmerzten in den harten Männerschuhen. Schließlich sah sie ein, dass sie ohne Hilfe nicht weiterkam. Sie hielt eine Mietkutsche an, und bat, zu einem Hotel kutschiert zu werden, das respektabel und nicht zu teuer sei. Der Fahrer knurrte, sie solle einsteigen und ihm nicht seine Zeit stehlen. Kaum war sie in den zerbeulten Wagen geklettert, brauste er los.
    Beim Bezahlen wartete die nächste böse Überraschung auf sie. Ihre Börse fehlte.
    Natürlich. Die Frau hatte sie absichtlich angerempelt, damit abgelenkt und der angebliche Helfer hatte sie dann bestohlen. Ein uralter Trick. Und sie war dumm genug gewesen, auf ihn hereinzufallen.
    Ihr blieb nichts übrig, als Geld aus der Innentasche zu nehmen, um den ungeduldig wartenden Fahrer entlohnen zu können. Die Summe, die er verlangte, kam ihr recht hoch vor, doch wagte sie keinen Widerspruch.
    Easton empfing sie wahrhaftig nicht mit offenen Armen, eher mit gierigen Händen.
    Das Hotelzimmer stank nach altem Fett und Schweißfüßen. Der Ausblick ging auf eine Steinmauer im Innenhof. Als Ausgleich gab es ein eigenes Waschbecken, wenn auch nur mit Kaltwasser, und die Betttücher sahen zwar fleckig und häufig geflickt aber frisch gemangelt aus. Ein vorsichtiger Blick unter die Matratze zeigte keine unerwünschten Mitbewohner. Kate zuckte die Schultern. Der Preis stimmte, und sie hatte weder Zeit noch Energie, ein ansprechenderes Quartier zu suchen. Also warf sie ihre Sachen auf den einzigen Stuhl und machte sich daran, Gustav aufzuspüren.
    Tagelang erkundigte sie sich in einer Apotheke nach der anderen nach ihm – ohne Erfolg. Je mehr sie von der Stadt sah, die riesigen Wohnblöcke, mehrstöckigen Kaufhäuser und unübersichtlichen Märkte, desto klarer wurde ihr, wie schwer sie in diesem Gewimmel an Menschen einen bestimmten ausfindig machen konnte. Langsam kroch die Verzweiflung in ihr hoch. Sie brauchte ihn und hatte naiverweise angenommen, er wäre in einer Apotheke in Easton geblieben.
    Schließlich fand sie ihn doch. Eine zahnlose Alte mit dem Gesicht eines schrumpeligen Apfels wies ihr den Weg zu einer Apotheke, die abseits der anderen Geschäfte lag.
    Zuerst hielt sie den Laden für längst aufgegeben. Er wirkte ebenso heruntergekommen wie die
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