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Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
Autoren: Barry Eisler
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in Dox’ Bauch wie ein Vorschlaghammer.
    Dox blieb gerade noch Zeit, seine Bauchmuskulatur anzuspannen, so dass ihm nicht gänzlich die Luft aus dem Körper getrieben wurde. Doch der Tritt schleuderte ihn nach hinten, und das Messer rutschte ihm aus der Hand. Es fiel scheppernd zu Boden, und Dox hatte Mühe, das Gleichgewicht wiederzugewinnen. Ein Teil von ihm begriff, dass er bereits weit ins Hintertreffen geraten war, dass die Sache hier, worum es auch immer ging, sehr schlecht für ihn aussah.
    Einer von den behelmten Typen packte sein linkes Handgelenk. Dox fand wieder Halt, fuhr herum und rammte dem Typen seinen freien Ellbogen gegen den Kopf. Hätte er den Schädel direkt getroffen, wäre der Schlag vielleicht tödlich gewesen oder hätte den Mann zumindest außer Gefecht gesetzt, doch der Helm schützte ihn. Jetzt riss der Typ an Dox’ Arm, um ihn zu Boden zu befördern. Dox wirbelte im Uhrzeigersinn herum, so dass er hinter den Angreifer kam, zog ihn mit seinem mächtigen Unterarm an sich und tastete mit der linken Hand nach dem La Griffe unter seinem T-Shirt. Er schob Zeige- und Mittelfinger in den Ring, wodurch die rasiermesserscharfe Klinge wie eine Kralle aus seiner Faust herausragte, und riss die Waffe ab. Doch ehe er sie dem Motorradhelm-Typen unters Kinn rammen und ihm die Gurgel durchschneiden konnte, hatte der Blonde Dox’ linken Arm gepackt und hielt ihn mit beiden Händen am Handgelenk fest. Irgendetwas stach Dox von hinten in den Hals. Er spürte einen widerwärtigen Ruck und wusste sofort, was es war. Er kämpfte gegen die Männer an seinen Armen. Sie fühlten sich plötzlich schwerer an, und ihm verschwamm alles vor den Augen. Er taumelte und dachte, John, Scheiße, tut mir leid. Und dann war er bewusstlos.

3
    ICH HÄTTE WISSEN MÜSSEN, dass sie über Dox an mich rankommen würden. Er war kein weiches Ziel, weiß Gott nicht, aber er war einfacher als ich, und ein wenig einfacher genügt mitunter schon.
    Ich lebte zu der Zeit mit Delilah in Paris. Oder besser gesagt, wir lebten getrennt. Ihr Beruf verlangte aus Sicherheitsgründen verschiedene Wohnungen und diverse andere kleine Unannehmlichkeiten. Aber wenn die eine Hälfte der Beziehung aus einem Auftragskiller im Ruhestand und die andere Hälfte aus einer passionierten Mossad-Agentin besteht, sind getrennte Wohnungen wohl das kleinste Problem.
    Ich mochte Paris, mochte so ungefähr alles an der Stadt. Zusammen mit Barcelona, wo ich ein Jahr zuvor mit Delilah einen Monat verbracht hatte, war Paris mit seiner Architektur, seinen Plätzen und den Straßen, die man ohne Ende zu Fuß durchstreifen konnte, eine der schönsten Städte, die ich je gesehen hatte. Ich mochte die Kaffeekultur, und ich genoss es, meiner Leidenschaft für die Bohne in zahllosen Straßencafés hemmungslos frönen zu können. Ich staunte über kleine Mysterien, wie beispielsweise die verlassenen Fahrräder, die an die Parktore der Place des Vosges gekettet waren, leblos zusammengesackt in ihren Fesseln, die Räder verbogen und kaputt, wie verkrüppelte Haustiere, zum Sterben sich selbst überlassen, weil ihre Besitzer es nicht übers Herz gebracht hatten, sie einschläfern zu lassen. Ich dachte an die Generationen, die die Stadt vor mir besucht hatten, Träumer und Zyniker, Romantiker und Radikale, Menschen, die hierhergekommen waren, um irgendetwas zu finden, und Menschen, die bloß vergessen wollten, was sie verloren oder zurückgelassen hatten.
    Ich war vorher noch nie in Paris gewesen, und als ich ankam, waren meine Eindrücke allesamt aus zweiter Hand. Ich erwartete eine Atmosphäre, die von Architektur, Romantik, Geschichte und Haute Cuisine geprägt war. Ich stellte mir den Louvre mit seiner Glaspyramide vor, die Seine und Notre Dame, Intellektuelle, die in Rive-Gauche-Cafés kettenrauchend über Philosophie debattieren.
    Daher war das, was ich dann auf der Zugfahrt vom Flughafen in die Stadt sah, ziemlich beunruhigend. Paris wirkte wie belagert, umringt von Trabantenstädten, fast so wie die Favelas von Rio. Viele davon waren mit Mauern abgetrennt, zumindest von den Schnellstraßen und Eisenbahnschienen, und die grauen, mitunter sogar von Stacheldraht gekrönten Betonbarrieren waren bis auf den letzten Zentimeter mit wütenden Graffiti bedeckt, wie Dämme, die sich gegen eine heranrollende Flut stemmten. Bei meiner Ankunft im Gare du Nord waren die beschmierten Mauern verschwunden, aber ihr Eindruck wirkte nach: Diese urbane Kultur war von ihren Feinden umzingelt
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