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Toedlicher Irrtum

Toedlicher Irrtum

Titel: Toedlicher Irrtum
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die alte Dame war bereits untersucht und nach Hause geschickt worden – erschüttert, aber unverletzt.
    Der barmherzige Engel lag auf einem schmalen Krankenbett in der Notaufnahme. Ein Vorhang trennte den kleinen Raum ab und vermittelte den Anschein von Privatsphäre. Als ihre weiße Bluse mit der Schere aufgetrennt wurde, um dem jungen Notarzt die Untersuchung der Verletzung zu ermöglichen, wartete Detective Vega auf der anderen Seite des Vorhangs.
    Die linke Hand der Verdächtigen war mit Handschellen an das Bett gefesselt. Sie lag so still da, dass die Handschellen nicht ein einziges Mal gegen das metallene Bettgestell klapperten. Der Arzt beugte sich über die rechte Schulter der Frau. Er war fast fertig mit dem Nähen der Wunde, einem Vorgang, den die Mörderin nicht zu spüren schien.
    Während Warrick vor Ort geblieben war, um den Tatort zu sichern, hatte Catherine die Frau im Krankenwagen begleitet und die Behandlung der Gefangenen überwacht. In dieser Zeit hatte Rene nicht ein Wort gesprochen und auch dann keine Silbe von sich gegeben, als der Arzt die Wunde gereinigt hatte.
    »Nicht mehr lange, Schwester Fairmont«, sagte Catherine in freundlichem Ton, »und Sie werden Ihre eigene Medizin schlucken müssen.«
    Ein kaum wahrnehmbares Stirnrunzeln deutete erstmals an, dass die Frau zuhörte. Und dass sie die Bemerkung nicht verstanden hatte.
    Also erklärte Catherine: »Ich meine, Sie verstehen sich selbst meisterhaft darauf, die Todesspritze zu verabreichen, nicht wahr?«
    In den kalten Augen regte sich, beinahe unmerklich, ein Hauch von Spannung, und was dann geschah, passierte so schnell, dass in Catherines Gedächtnis nur eine verschwommene Erinnerung zurückblieb.
    Die Gefangene hob den verwundeten Arm, schnappte sich eine Schere von dem Instrumententablett des Arztes, schlang den anderen Arm um seinen Hals und riss seinen Kopf an ihre Brust. Die Spitze der geschlossenen Schere zeigte auf seine Kehle, das Metall schimmerte und funkelte vor der dunklen Haut, bohrte sich hinein und forderte bereits den ersten Tropfen Blut. Der junge Arzt sah zunächst weniger ängstlich als erschrocken aus.
    Rene Fairmonts Augen waren harte, glitzernde Punkte in einem Gesicht, dessen Schönheit sich verloren hatte, als sie den Arzt an sich drückte, als wäre er ein hilfloses Kind.
    »Die Schlüssel für die Handschellen, Miststück – sofort!«, keifte sie Catherine an.
    Die Kriminalistin hatte die Gefangene fest im Blick, ebenso den furchtsamen Arzt, dann zog sie die Neun-Millimeter-Waffe aus dem Halfter und hielt die Mündung an die Stirn der Frau, deren Reaktion mehr Entrüstung als Schrecken widerspiegelte.
    In dem kältesten Ton, den sie hervorzubringen im Stande war, sagte Catherine: »Fragen Sie den Arzt – wenn ich schieße, sind Sie zu keiner Muskelreaktion mehr fähig, und er wird gar nicht in Gefahr sein.«
    »Denken Sie, ich mache Witze?«
    »Denken Sie, ich mache welche? Lassen Sie die Schere fallen … Miststück.«
    Und die Verdächtige gab auf.
    Der Arzt wich schnell zurück. Vega, der den Lärm gehört hatte, riss den Vorhang zur Seite und stand, die eigene Waffe auf die nun wieder lethargische Rene Fairmont gerichtet, vor dem Bett.
    »Übernehmen Sie das für einen Moment, Sam«, sagte Catherine. »Das hier ist gerade ein Tatort geworden, und ich muss ein paar Fotos machen und diese Schere sicherstellen.«
    Vega, normalerweise kaum zu erschüttern, schien momentan doch ziemlich aus dem Häuschen zu sein, sagte aber: »Kein Problem, Catherine.«
    Catherine streifte ihre Latexhandschuhe über und nahm die Schere an sich, ehe sie den traumatisierten Arzt hinausführte.
    Sie redete’ beruhigend auf den Arzt ein, so, wie man mit einem Kranken spricht, und erklärte ihm, dass sie seine Aussage brauchen würde. Augenblicke später schien es ihm schon wieder besser zu gehen, und sie waren im Stande, den Transport der Gefangenen in den Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von Clark County zu besprechen – ein Vorhaben, das der Arzt nur allzu gern unterstützen wollte.
    Als Catherine das Krankenhaus eine halbe Stunde später verließ, dachte sie an die mehr als ein Dutzend Menschen, die unter den Händen dieses hübschen Monsters gestorben waren. Das wahrhaft Teuflische an der Sache war, dass Catherine trotz der beiden Geiselnahmen nicht sicher war, ob ihre Beweise reichen würden, Rene Fairmont wegen Mordes vor Gericht zu bringen.
    Oh, sicher, sie konnten den barmherzigen Engel von der Straße und den
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