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Tödlicher Champagner (German Edition)

Tödlicher Champagner (German Edition)

Titel: Tödlicher Champagner (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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menschlicher Geier langatmigen juristischen Ausführungen lauschte, dann tat er es eben. Sobald das hier vorbei war, wollte er sich einen anständigen Schuss Brandyeinschenken und ganz für sich auf den alten Mann trinken. Jolley hatte Brandy ge mocht.
    Als Michael jung und voll Fantasie gewesen war und seine Eltern nichts verstanden hatten, da hatte Onkel Jolley ihm zugehört und ihn in seinen Träumen ermutigt. Bei jedem Besuch auf Jolley’s Folley hatte sein Onkel von ihm eine Geschichte verlangt und sich begierig mit leuchtenden Augen zurückgelehnt, während Michael seiner Einfallskraft freien Lauf ließ. Michael hatte nichts davon vergessen.
    Nachdem er seinen ersten Emmy Award – den begehrtesten Fernsehpreis der Welt, für ‚Logan’s Run‘ – erhalten hatte, war Michael von Los Angeles in die Catskills geflogen und hatte seinem Onkel die Statue überreicht. Der Emmy war noch in dem Schlafzimmer des alten Mannes, obwohl der alte Mann nicht mehr da war.
    Michael lauschte der trockenen, unpersönlichen Stimme des Anwalts und sehnte sich nach einer Zigarette. Erst vor zwei Tagen hatte er das Rauchen aufgegeben. Vor zwei Tagen, vier Stunden und fünfunddreißig Minuten. Ja, er wäre wirklich gern die Wände hochgegangen.
    Er bekam keine Luft mit allen diesen Leuten im selben Raum. Jeder Einzelne von ihnen hatte den alten Jolley als verrückt und recht lästig angesehen. Etwas anderes war das mit dem Hundertfünfzig-Millionen-Dollar-Vermögen. Aktien und Beteiligungen waren alles andere als verrückt. Michael hatte mehrere begierige Blicke auf die Einrichtung der Bibliothek aufgefangen. Die schweren, reich verzierten georgianischen Möbel passten sicher nicht zu dem stromlinienförmigen Lebensstil mancher Anwesender, würden aber einen ordentlichen Batzen Bargeld auf die Hand einbringen. Michael wusste, dass der alte Mann jeden protzigen Stuhl und jeden überdimensionalen Tisch in diesem Haus geliebt hatte.
    Er bezweifelte, dass einer der Versammelten in den letzten zehn Jahren in dem großen, widerhallenden Haus gewesen war. Pandora ausgenommen, wie er grollend einräumte. Sie mochte lästig sein, aber sie hatte Jolley verehrt.
    Im Moment sah sie miserabel aus. Michael hatte sie noch nie zuvor unglücklich gesehen. Wütend, verächtlich, herausfordernd, aber nie unglücklich. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er sich neben sie gesetzt, ihr Trost angeboten und ihre Hand gehalten. Sie hätte ihm dafür möglicherweise seine Hand genau am Gelenk durchgebissen.
    Immerhin, ihre unglaublich blauen Augen waren rot und verquollen, fast so rot wie ihr Haar, dachte er, während sein Blick über die wilde lockige Mähne glitt, die ungeordnet und ungezügelt auf ihre Schultern fiel. Sie war so blass, dass die Sommersprossen über ihrer Nase sich deutlich abzeichneten. Normalerweise war ihre elfenbeinfarbene Haut leicht rosig getönt, ob vor Gesundheit oder von ihrem hitzigen Temperament wusste er nicht genau.
    Zwischen ihren feierlichen schwarz gekleideten Angehörigen stach sie wie ein Papagei zwischen Krähen heraus. Sie trug ein leuchtend blaues Kleid. Michael fand das gut, obwohl er das nie zu Pandora sagen würde. Sie brauchte kein Schwarz und keine Kreppschleifen und Lilien, um zu trauern. Das begriff er, obwohl er Pandora nicht begriff.
    In regelmäßigen Abständen ärgerte sie ihn mit ihren Ansichten über seinen Lebensstil und seine Karriere. Wenn sie zusammenkrachten, dauerte es nicht lange, bis er ihr ebenfalls Kritik an den Kopf warf. Immerhin war sie eine kluge, talentierte Frau, die lieber herumspielte und abscheulichen Schmuck für Boutiquen machte, anstatt sich ihres Hochschulabschlusses in Erziehung zu bedienen.
    Sie nannte ihn jedes Mal materialistisch, er nannte sie idealistisch. Sie stufte ihn als Chauvinisten, er stufte sie als Pseudointellektuelle ein. Jolley hatte jeden Streit mit gefalteten Händen kichernd verfolgt. Jetzt, da er nicht mehr war, gab es keine Gelegenheiten für derartige Kämpfe. Seltsamerweise erschien ihm auch das ein Grund mehr, um seinen Onkel zu vermissen.
    In Wahrheit hatte Michael nie zu irgendjemandem eine starke familiäre Bindung gefühlt, Jolley ausgenommen. Michael dachte nicht oft an seine Eltern. Sein Vater war mit seiner vierten Frau irgendwo in Europa, und seine Mutter hatte sich mit Ehemann Nummer drei friedvoll in die Gesellschaft von Palm Springs eingefügt. Sie hatten ihren Sohn nie verstanden, der sich dafür entschieden hatte, für etwas so
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