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Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Titel: Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
Autoren: Marcia Clark
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stand. Das Gesicht der Gerichtsschreiberin war starr, während sie gleichzeitig die Finger zum Schreiben lockerte.
    »Wie Sie genau wissen, Herr Staatsanwalt, hat die Verteidigung ein Recht auf eine Voruntersuchung ohne Unterbrechung. Sehen Sie all die Anwälte dort sitzen?«, rief der Richter mit seinem donnernden Bariton.
    Averill nickte. Ich sah, wie sich die Spitzen seiner Ohren rot färbten und nun wieder zur Haut über seinem Hemdkragen passten.
    »Den Teufel werde ich tun, den ganzen Saal warten zu lassen, nur damit Sie Ihren Zeugen auftreiben können.«
    Brandon fasste sich an den Krawattenknoten wie ein Todeskandidat, der den Strick um seinen Hals betastet. »Vielleicht wäre die Verteidigung ja bereit, auf ihr Recht auf eine Voruntersuchung ohne Unterbrechung zu verzichten. Dann könnte das Gericht den nächsten Fall verhandeln, während ich meinen Zeugen suche.«
    »Oh ja«, bekräftigte der Richter beißend. »Das sollten wir unbedingt eruieren.« Er wandte sich an den Verteidiger. »Herr Anwalt, verzichten Sie auf Ihr Recht auf eine Voruntersuchung ohne Unterbrechung?«
    »Nein, Euer Ehren«, sagte der Verteidiger. »Die Verteidigung verzichtet nicht darauf.«
    »Zu dumm«, sagte der Richter. »Noch so eine brillante Idee, Herr Ankläger? Vielleicht noch ein paar Zeugen? Oder neues Belastungsmaterial zur Abwechslung?«
    »Ich habe keine weiteren Zeugen, Euer Ehren«, sagte Brandon und zuckte betont gleichmütig mit den Schultern, um die Fassung wiederzugewinnen.
    »Das Volk hat die Beweisführung also abgeschlossen?«
    »Ich denke schon.«
    »Ich möchte einen Antrag einbringen, Euer Ehren«, sagte Schoenfeld und hatte sich schon halb erhoben.
    »Sparen Sie sich die Mühe«, sagte der Richter mit einem Lächeln und bedeutete ihm, wieder Platz zu nehmen.
    Er knallte seinen Richterhammer auf den Tisch und bellte: »Klage abgewiesen.«

4
    D ie Zuschauer atmeten auf. Dann erhob sich ein Raunen, das über den gesamten Gerichtssaal hinwegschwappte. Die Abweisung einer Mordanklage war selbst für gestandene Prozessteilnehmer kein alltägliches Ereignis.
    Der Angeklagte, ein junger, drahtiger Asiate mit schwarzen schulterlangen Haaren, saß stocksteif da und musste den Richterspruch erst einmal verdauen. Dann schien es ihn wie der Schlag zu treffen. Er hieb mit der Faust auf den Tisch, und die Kette, die Hand und Hüfte miteinander verband, unterstrich die Geste mit einem Rasseln. Laut vernehmlich sagte er zu seinem Anwalt: »Hatte ich es Ihnen nicht gesagt? Hatte ich nicht gesagt, dass ich es nicht war?«
    Wieder knallte Richter Foster mit seinem Hammer auf den Tisch und bremste den Angeklagten, der jetzt triumphierend die Faust ballte. »Dies ist ein Gerichtssaal, keine Sportkneipe!«, donnerte er. »Beruhigen Sie sofort Ihren Mandanten, Herr Anwalt, oder ich übernehme das für Sie!«
    Walter packte Yamaguchi am Arm und flüsterte auf ihn ein. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, aber es funktionierte. Der Angeklagte faltete seine Hände auf dem Tisch und war still.
    Rein rechtlich gesehen war die Abweisung der Klage bestens gerechtfertigt, aber irgendetwas ärgerte mich daran. Vielleicht war der Angeklagte tatsächlich nicht der Mörder, und vielleicht sollte ich die Sache einfach auf sich beruhen lassen – wenn da nicht Brandons Miene wäre, die deutlich zum Ausdruck brachte, wie scheißegal ihm das Ganze war. Vielleicht war Yamaguchi es ja doch gewesen, und vielleicht würde er jetzt aus den falschen Gründen aus dem Gerichtssaal marschieren. Achtlos würde er sein Opfer zurücklassen, so wie auch die anderen weitergegangen waren, als es auf dem Gehweg verblutet war. Ich konnte nicht einfach dasitzen und das geschehen lassen. Im Namen von Cletus und all den anderen, die am Rande einer überbevölkerten, mitleidlosen Welt lebten, musste ich etwas unternehmen. Rasch ging ich den Mittelgang entlang und trat an Brandon heran.
    »Was soll das, zum Teufel?«, flüsterte ich erregt. »Wo ist Ihr verdammter Bulle? Haben Sie ihn nicht schriftlich vorgeladen?«
    Brandon starrte mich einen Moment sprachlos an. »Natürlich habe ich ihn schriftlich aufgefordert, seinen Hintern hierherzubewegen«, schoss er dann zurück.
    »Dann teilen Sie dem Gericht mit, dass Sie erneut Klage einreichen, damit man diesen Typen gar nicht erst rauslässt«, sagte ich und verfolgte, wie der Gerichtsdiener den Angeklagten zurück in sein Dreckloch führte.
    Von Rechts wegen kann die Staatsanwaltschaft erneut Klage einreichen, wenn
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