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Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Titel: Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
Autoren: Marcia Clark
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können, aber die Menschenmenge, die nach dem Mittagessen zurück an die Arbeit eilte, war nichts als ein dahinströmender Fluss von Körpern.
    Der Obdachlose ging nun schneller, die glühenden Augen unerbittlich auf die Frau vor ihm gerichtet. Unvermittelt streckte er die Hand aus und packte sie am Unterarm. Die Frau drehte sich verblüfft um und sah ihren Angreifer. Sofort trat Schock an die Stelle von Empörung, dann Angst. Panisch versuchte sie, ihren Arm loszureißen. Ein paar Sekunden lang vollführten die beiden ein eigentümliches Tänzchen, aber als die Frau die andere Hand hob und den Mann wegstieß, ließ er tatsächlich los. Im nächsten Moment war sie in der Menge verschwunden. Der Mann kippte vornüber und sackte langsam in sich zusammen, das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse verzogen. Selbst jetzt noch bohrten sich seine Augen in die Menge und hielten nach der Frau Ausschau, als könnte er sie durch pure Willenskraft zurückholen.
    Schließlich kam er nicht mehr gegen die Strömung an, sank auf den schmutzigen Gehweg, fiel auf die Seite und wiegte sich wie ein Kind vor und zurück. Der Menschenstrom floss weiter und stockte nur unmerklich, wo er sich vor dem Mann teilte, um sich hinter ihm sofort wieder zu schließen. Nach einer halben Stunde hatte das Wippen aufgehört. Ein Passant im Hausmeisterkittel beugte sich hinab und warf einen Blick auf den Mann, dann ging er weiter. Ein junges Mädchen hielt sein Handy in seine Richtung, machte ein Foto und war dann ebenfalls verschwunden.
    Eine Stunde sollte es dauern, bis irgendjemand den roten Fleck bemerkte, der sich unter dem Körper des Obdachlosen ausbreitete. Und eine weitere Stunde verging, bis irgendjemand auf die Idee kam, die Polizei zu rufen.

2
    Zwölf Tage später
    I ch sah aus dem Fenster meines Büros im achtzehnten Stockwerk des Gerichtsgebäudes, trank den dritten Kaffee an diesem Morgen und genoss den Ausblick – eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Letzte Nacht hatte es geregnet, und am Morgen war unerwartet Wind aufgekommen. Der Smog hatte sich vollständig verflüchtigt, was den Einwohnern von L.A. einen ungewöhnlich strahlenden Tag bescherte. Das Sonnenlicht tanzte auf den Blättern der großen Bäume, die sich im Wind bogen und mit ihren peitschenden Ästen den Menschen auf der Straße die Köpfe einzuschlagen drohten.
    »Hast du nicht heute Morgen eine Voruntersuchung bei Richter Foster, Rachel? Wegen dieser Brandstiftung mit Todesfolge?«, fragte Eric Northrup, mein Chef, der stellvertretende Leiter der Special Trials.
    Wie alle Fälle unserer Eliteabteilung bestand auch mein Brandstiftungsfall aus einer unschönen Kombination aus komplizierter Beweislage und hoher öffentlicher Aufmerksamkeit. Brandstiftung nachzuweisen ist selten so einfach, wie es klingt. Man muss alle zufälligen und natürlichen Ursachen ausschließen, und oft sind die Beweise zusammen mit den Opfern verbrannt – in diesem Fall den alten Eltern des Mörders. Vermutlich würde die Presse nicht zur Voruntersuchung erscheinen, aber sie würde lautstark danach verlangen, an den Gerichtsverhandlungen teilnehmen zu dürfen. Wenn ich mich durch Tausende von Zeugenaussagen hindurchfraß, um Millionen von Beweisschnipseln zusammenzusetzen, und nur inständig darauf hoffen konnte, dass die Jury am Ball blieb, würden mir diese Leute also auch noch im Nacken sitzen. Ein Heidenspaß. Aber schon als ich vor acht Jahren in die Distriktstaatsanwaltschaft eingetreten war, hatte ich davon geträumt, eines der handverlesenen Mitglieder der Special Trials zu werden. Und diese widerspenstigen Biester von Fällen, die jede Form von Privatleben verschlangen, waren genau das, wofür ich diesen Job dann tatsächlich irgendwann angetreten hatte.
    »Ja«, sagte ich, frei nach meinem Motto: nie komplizierter als nötig und nie konkreter als von der Frage verlangt. Mit ein bisschen Glück gibt der andere auf und verschwindet. Das Motto ist allerdings wenig erfolgreich, wenn der andere zufällig dein Chef ist und du in deinem Büro am Fenster stehst, obwohl du eigentlich im Gerichtssaal bei der Voruntersuchung zu einem Brandstiftungsfall sein solltest.
    Eric stützte die Hand in die Hüfte und sah mich erwartungsvoll an. »Mir ist schon klar, dass du es hasst, im Gerichtssaal zu warten, aber …«
    Irgendwo zu warten hasste ich immer, aber ganz besonders hasste ich es im Gerichtssaal, wo man nichts tun konnte als herumsitzen und derart langweiligen Prozeduren beiwohnen, dass man
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