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Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)

Titel: Tödlicher Ausweg: Thriller (German Edition)
Autoren: Marcia Clark
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Mann schon einmal gesehen hatte, aber wie hieß er bloß? Im Geiste ging ich die Namensschilder an den Büros der Staatsanwälte durch, und irgendwann fiel es mir tatsächlich ein: Brandon Averill. Ich kannte ihn nicht, aber ich kannte diese Sorte Anwalt, diese selbstverliebten, ehrgeizigen jungen Wilden, die unermüdlich Ruhm und Ehre hinterherjagen und hinreichend gut aussehen, um die Pressefotografen um sich zu scharen. Alles an seinem Gebaren ließ erkennen, dass dieser Fall seine kostbare Zeit nicht wert war.
    Als im Zeugenstand immer noch Funkstille herrschte, wurde Averill sichtlich ungeduldig. »Vielleicht sehen Sie mal dort hinüber«, sagte er und zeigte auf den Tisch, wo der Angeklagte saß.
    Der Angeklagte zog den Kopf ein und schrumpfte in dem Versuch, sich unsichtbar zu machen.
    Der Verteidiger sprang auf. »Einspruch! Suggestiv und unzulässig! Ich beantrage, die Aussage des Zeugen zu streichen.«
    Richter Foster zog eine Augenbraue hoch. »Sind Sie sicher, dass ich dem stattgeben soll, Herr Verteidiger? Meinen Sie nicht, Sie könnten vor der Jury einen brillanten Schachzug daraus machen?« Das Wort »brillant« troff vor Sarkasmus.
    Walter lächelte. »Einspruch zurückgezogen.«
    »Na also«, sagte der Richter.
    Indem er den Zeugen mit der Nase auf den Angeklagten gestoßen hatte, hatte Brandon sich selbst geschadet. Wenn der Surfertyp den Angeklagten jetzt als Täter identifizierte, könnte Schoenfeld der Jury erklären, dass er in diese Richtung gedrängt wurde.
    Der Tonfall des Richters war noch milde gewesen, bedachte man seine notorische Abneigung gegen den Anwaltsstand. Vermutlich mochte er Walter. Mit seinen eins neunzig und den hundertzwanzig Kilo war Richter Foster ein imposanter Mann. Aber so clever er war, so ungeduldig war er auch, und er brauchte kein Mikrofon, um sich im Gerichtssaal Gehör zu verschaffen. Wenn ihm ein Anwalt auf die Nerven ging – was mehr als einmal täglich geschah –, war das noch in der Cafeteria fünf Stockwerke unter uns zu hören. Ich habe ihn immer gemocht, weil er zwar ein grantiger Alter war, seine Gemeinheiten aber gerecht verteilte. Der ideale Richter für meinen Geschmack.
    Der Zeuge tat, wie ihm geheißen, und sah den Angeklagten nun direkt an. Der war so nervös, dass ich ihn vor sich hin schwitzen hörte.
    »Nee … äh, nein«, sagte der Zeuge mit seiner dünnen, zittrigen Stimme. »Den hab ich da auf der Straße gesehen, aber der hat niemanden erstochen.«
    »Haben Sie der Polizei nicht erzählt, dass dieser Mann da«, Averill zeigte auf den Angeklagten, »der Mann ist, der zugestochen hat?«
    Der Verteidiger war schon wieder aufgesprungen. »Einspruch! Unzulässige Beeinflussung.«
    Der Richter winkte ab. »Setzen Sie sich, Herr Verteidiger. Mag sein, mag aber auch nicht sein. Lassen Sie uns doch einfach zur Sache kommen, statt hier einen Eiertanz aufzuführen, oder? Es ist schließlich nur eine Voruntersuchung.« Der Richter wandte sich an den Zeugen. »Haben Sie der Polizei erzählt, dass dieser Mann mit dem Messer zugestochen hat? Ja oder nein?«
    Der Zeuge rieb sich den Oberlippenbart, deutlich angestrengt. »Na ja … äh … nicht wirklich … Euer Gnaden.«
    »Ein schlichtes Euer Ehren tut es auch«, sagte Richter Foster. »Was haben Sie der Polizei denn dann erzählt?«
    »Ich habe nur gesagt, dass ich diesen Typen gesehen habe«, sagte er und deutete zum Angeklagten hinüber, einem Mann namens Yamaguchi. »Er war irgendwo da in der Nähe. Aber ich habe nie was gesagt von wegen, dass er jemanden erstochen hat, oder so.«
    Brandon Averill war knallrot im Gesicht. »Einen Moment, bitte. Wollen Sie etwa bestreiten, dass Sie am Tatort auf diesen Mann gezeigt und der Polizei erzählt haben, dass Sie gesehen haben, wie er auf den Typen einsticht?«
    »Tja … äh, ja«, sagte der Zeuge und warf dem Angeklagten einen verstohlenen Blick zu. »Das würde ich bestreiten.«
    Brandon Averill kehrte zu seinem Tisch zurück und raschelte mit Papieren herum, während es im Gerichtssaal jetzt mucksmäuschenstill war. Alle warteten. Richter Foster hatte soeben den Mund aufgetan, um etwas zu sagen, das der Staatsanwalt zweifellos nicht gerne hören würde, als Averill schwungvoll ein Blatt hervorzog und zum Zeugenstand marschierte.
    »Ist das nicht Ihr Name?«, fragte er und tippte oben auf die Seite. »Charlie Fern?«
    »Äh, ja«, hauchte der Zeuge.
    »Dann lesen Sie uns Ihre Aussage bitte laut vor«, verlangte der Staatsanwalt und zeigte auf eine
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