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Toedliche Wut

Toedliche Wut

Titel: Toedliche Wut
Autoren: Linda Castillo
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lächelt. »Aber es gefällt mir, ihr die Flasche zu geben.«
    Einen Moment sehen wir dem Tier schweigend zu, dann frage ich: »Wie geht es dir?«
    Sie sieht mich nicht an. »Gut.«
    »Deine Mamm hat mir erzählt, dass du bald getauft wirst.«
    »Nach allem, was passiert ist …« Sie verstummt. »Ich glaube, Gott hat mir auf diese Weise gezeigt, welchen Weg ich gehen soll.«
    »Das klingt gut, Sadie. Ich freue mich für dich.«
    Der Sauger rutscht aus dem Maul des Kälbchens. Wir lachen, als es einen schlabbernden Ton von sich gibt, wieder danach schnappt und weitersaugt.
    »Ich muss dir noch ein paar Fragen stellen«, sage ich.
    Sadie nickt, den Blick weiter auf das Kälbchen gerichtet. »Sind sie im Gefängnis?«
    »Sie sind tot«, erwidere ich.
    Sie presst die Lippen zusammen. »Sie waren verrückt«, stößt sie schließlich hervor.
    »Du hast recht.« Ich hole Notizbuch und Stift aus der Jackentasche. »Ich möchte, dass du mir erzählst, was passiert ist. Alles, von Anfang an.«
    Sie sieht dem Kälbchen weiter beim Trinken zu, doch die Freude daran ist aus ihrem Gesicht gewichen. »Ich bin die Straße entlanggelaufen, unten bei der alten Pferdefarm.«
    »Die von den Reiglesbergers?«, frage ich.
    Sie nickt. »Ich war gerade an der Brücke, als ich ein altes Auto an der Straße stehen sah. Ein Mann lief umher und rief nach seinem Hund. Er hat gesagt, sein Hund heißt Benji und dass er aus dem Fenster gehüpft und weggelaufen ist. Er bat mich, ihm beim Suchen zu helfen.« Ein Stöhnen entkommt ihrem Mund. »Wir sind dann im Straßengraben gelaufen und haben den Hund gerufen. Als ich ihm gerade den Rücken zugekehrt hatte, hat er sich auf mich gestürzt und mit was Spitzem gestochen.« Mit der rechten Hand reibt sie sich die Stelle auf der linken Schulter. »Zuerst dachte ich, es wäre ein Messer und er wolle mich umbringen. Ich bin weggelaufen, aber dann wurde mir ganz schummrig im Kopf, als hätte ich getrunken oder so, und ich konnte kaum noch gehen. Dann weiß ich nur noch, dass er sich in sein Auto gesetzt und mich angefahren hat.« Sie zeigt auf ihre rechte Hüfte. »Er hat mich mit der Stoßstange erwischt, und ich bin hingefallen.«
    Sie atmet tief durch, als sauge sie Kraft ein, um weiterreden zu können. »Er hat mich zum Auto geschleppt, ich hab versucht, mich zu wehren, aber ich konnte mich kaum noch bewegen.« Sie zuckt mit den Schultern. »Dann bin ich wohl ohnmächtig geworden, denn als ich aufwachte, war ich in dem unterirdischen Raum.«
    Sie atmet jetzt schneller. Auf ihrer Oberlippe haben sich Schweißperlen gebildet, sie hat das Kälbchen vergessen und ist in ihrem Albtraum gefangen, mit dem sie wohl noch eine ganze Zeit zu kämpfen haben wird.
    Was sie gesagt hat, deckt sich mit Bonnie Fishers Aussage und den Beweisen, die wir vor Ort gefunden haben.
    »Ich danke dir«, sage ich. »Ich weiß, dass das nicht leicht für dich war.« Ich sehe auf meine Notizen. »Ich schreibe das noch in meinen Abschlussbericht, und dann können wir alle das endgültig hinter uns lassen.« Ich lächele sie an. »Du kannst dich auf deine bevorstehende Taufe konzentrieren.«
    Sie lacht bitter. »Ich kann mich noch zwei Wochen danebenbenehmen.«
    Ich breite die Arme aus, sie stellt den Milcheimer ab, steht auf und schmiegt sich an mich. Ich drücke sie fest. »Vielleicht solltest du dich lieber um dein Kälbchen kümmern.«
    Ich trete aus dem Stall und will gerade die Tür hinter mir zumachen, als mir noch eine Frage einfällt. »Dann war Irene Mast nicht mit dabei, oder?«
    Sadie sieht von dem Kälbchen auf. »Seine Mamm ?«
    »Seine Frau.« Doch ich habe die Worte kaum ausgesprochen, als mir ein eiskalter Schauer den Rücken hochkriecht.
    Mit hämmerndem Herz bleibe ich hinter der Stalltür stehen. »Sadie, wie alt war der Mann, der dich auf der Straße angesprochen hat?«
    Sie widmet sich schon wieder dem Kälbchen. »Älter als ich.«
    Sprachlos vor Entsetzen, muss ich an Noah Mast denken, wie er im Krankenhausbett gelegen hat, armselig wie ein Hund, der von seinem herzlosen Besitzer vernachlässigt und geschlagen wurde.
    Da Sadie wirklich genug durchgemacht hat, gehe ich, ohne noch etwas zu sagen. Fassungslos trete ich aus dem Scheunentor und rufe sofort Tomasetti an, bete, dass ich falschliege, will nicht wahrhaben, dass meine Hand zittert.
    Nach dem zweiten Klingeln nimmt er ab.

Epilog
    Zwei Monate später: Lancaster County, Pennsylvania

    Als er eintraf, war die Party schon voll im Gange. Die amischen
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