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Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Titel: Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Traber
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– sie spürte das alles
kaum mehr. Ein Glas Wein versetzte sie in einen Zustand, in dem sie gleich abheben
konnte, Alex an ihrer Seite, auch er glücklich und zufrieden über den in der Stille
der Berge verbrachten Tag. Nie schien das Leben intensiver und schöner als nach
einer anstrengenden Klettertour. Als hätte man Drogen genommen. (Heute würde man
das prosaisch als Adrenalinstoß bezeichnen, ging ihr durch den Kopf.)
    Eigentlich
müsste ich darüber schreiben, überlegte sie – und schon befand sie sich mitten in
der alten Geschichte, die Erinnerungen ließen sich nicht mehr verdrängen.
     
    Mit nur 24 Jahren hatte Alex sein
Berufsziel erreicht, er besaß nun den Doktor in Geologie und begann sich auf Hydrologie
zu spezialisieren. Er arbeitete mit an hydrologischen Projekten in Deutschland,
auf der griechischen Halbinsel Peloponnes, in Arizona, in Jordanien und in der Wüste
Nevada. Er veröffentlichte wissenschaftliche Berichte, erforschte Tropfsteinhöhlen
und unternahm zwischendurch einige Erstbesteigungen von Gipfeln in den Colorado-Schluchten.
Sein Diplom als Kletterlehrer hatte er schon in jungen Jahren in den Dolomiten gemacht
und er publizierte auch Beiträge zum Thema Bergsteigen und Klettern in italienischen
Fachzeitschriften.
     
    Als Alex tatsächlich in die Schweiz
reiste, um sie abzuholen, wusste Eva nicht, wie ihre Eltern, die bisher ihren amourösen
Erlebnissen gegenüber eher skeptisch gewesen waren – zugegeben, meist zu Recht –,
auf ihren neuen Freund reagieren würden. Erzählt hatte sie wenig über ihn, weil
es noch kaum etwas zu berichten gab. Eine Visitenkarte mit Doktortitel und Adelskrönchen,
das machte immerhin Eindruck.
    Es ging
dann alles viel zu schnell und deshalb wie selbstverständlich, für Zweifel und lange
Diskussionen oder gar Befürchtungen blieb keine Zeit. Alex gewann die ganze Familie
im Sturm mit seinem Charme, seinen neugierigen Fragen, seiner Intelligenz, Natürlichkeit
und Bescheidenheit, und darüber staunte Eva insgeheim. Ihre Eltern, die noch nie
gewagt hatten, mit dem erst vor wenigen Jahren erworbenen Auto eine Fahrt ins Ausland
zu unternehmen, ließen sich sogar zu einer Reise nach Südtirol überreden und versprachen,
Alex und sie dort im Lauf des Sommers zu besuchen.
    Ihren Koffer
hatte sie längst gepackt. Alex verstaute ihn im Kofferraum zwischen Bergschuhen,
Windjacken, Pickel, Steigeisen, Kletterseilen und -haken, Karabinern, Werkzeug und
Wasserbehältern. Das Abenteuer konnte beginnen. Eine Reise nach Südtirol, aber sie
ahnte: eine Reise eher ins Ungewisse als ins vielbeschworene Glück zu zweit.
    Der Königssohn
holte die Prinzessin aus dem Schloss, setzte sie hinten auf sein Pferd, und so ritten
sie zusammen glücklich und zufrieden auf seine Burg. Und wenn sie nicht gestorben
sind …
    Nein, die
Geschichte begann erst und ein Ende – ein glückliches oder eines mit Schrecken –
war noch lange nicht abzusehen.
     
    Als Kind hatte es kaum etwas Schöneres
gegeben, als am Rand und doch sehr nah am Geschehen zu erleben, wie die Hochzeitspaare
beim Standesamt im Dorf vorfuhren, meist an Samstagen. Wie sie manchmal sogar aus
richtigen Pferdekutschen stiegen, meist jedoch aus blumengeschmückten Limousinen
oder einem Bus voller Hochzeitsgäste, die Bräute fast immer in Weiß, mit langem
oder kurzem Schleier, in bodenlangen Roben, mit Hochzeitsstrauß und glücklichem
Lächeln, die Bräutigame im dunklen Anzug mit Krawatte einander sehr ähnlich, begleitet
vom Brautführerpaar und weiteren Hochzeitsgästen und meist einem Fotografen, der
die Leute souverän herumdirigierte und mahnte: »Lächeln, lächeln, meine Herrschaften.
Und jetzt bitte ›cheese‹ sagen!« Brav verzogen alle die Gesichter zu freundlichen
Grimassen.
    Immer wieder
dieselben Auftritte, dasselbe Theater. Sie hatte damals jeden Samstag stundenlang
vor dem Standesamt gestanden und ausgeharrt, bis die feierliche Zeremonie beendet
war und das Brautpaar endlich heraustrat. Vielleicht hoffte sie insgeheim, den besonderen
Glanz des Liebesglücks oder einige Glückstränen auf den Gesichtern der eben Getrauten
zu sehen, die noch ganz neu glänzenden Eheringe an den Ringfingern – ein Märchen,
eben Wirklichkeit geworden.
    Zugegeben,
sie wartete auch ungeduldig auf die süßen Bonbons in farbigen Papierchen mit mehr
oder weniger passenden Sprüchen, die den Kindern huldvoll zugeworfen wurden. Sie
spürte die Aufregung, Anspannung und Freude aller Beteiligten und mochte es nicht,
wenn
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