Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Titel: Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Traber
Vom Netzwerk:
Heiraten
sprach. Warum stellte er sie dann nicht als »Verlobte« oder »zukünftige Frau« oder
Lebenspartnerin vor? Sie hätte es sich so sehr gewünscht.
     
    Jeden Besuch bei Alex’ Mutter in
einer Pension in Seis benutzte Eva dazu, in deren Badezimmer heimlich ihre Unterwäsche
von Hand auszuwaschen. Sie schmuggelte die feuchte Wäsche in einem Plastiksack zum
Völser Weiher hinauf und hängte sie dort an einem Kletterseil zwischen zwei Tannen
zum Trocknen auf.
    Ein Sommer
der totalen Anpassung. Bis zum letzten Tag wollte sie jede Art Einschränkungen auf
sich nehmen, das Spiel mitspielen, das sie sich selber eingebrockt hatte. Wozu?
Nur um den Freund nicht zu verlieren? Um zu zeigen, dass sie mit einem schwierigen
Menschen wie ihm umgehen konnte? Dass sie Verständnis für seine Krisen, seine Launen
aufbrachte? Durchhalten als Liebesbeweis – wie in einem Märchen, in dem gefährliche
Situationen und Prüfungen gemeistert werden müssen, damit man das Glück findet.
    Was für
ein Glück? Eine Ehe mit einem unsteten Menschen, der trotzdem von einer Familie
samt Kindern träumte?
    Eva erinnerte
sich, wie Alex kam und siegte. Er hatte sie angesprochen – und sie auf der Stelle
heiraten wollen. Wie im Märchen. Zuerst war sie skeptisch gewesen, hatte ihn ausgelacht:
»Wir kennen uns doch überhaupt nicht!« Dann begann er ihr jedoch hartnäckig liebevolle,
zärtliche, etwas unbeholfene Briefe in einer kindlich wirkenden Handschrift zu schreiben,
und wenn sie die Sätze las, hörte sie seine Stimme – und wurde weich, ließ sich
überreden, ihn wieder zu treffen und auf ihn zu warten.
    Sie träumte
sich immer mehr in das Foto hinein, das er ihr einmal geschickt hatte: Alex, der
kühne Kletterer, mit seinem besten Freund Francesco auf dem Gipfel des Großglockners:
groß, schlank, langbeinig, mit scharf geschnittenen Gesichtszügen, schmalen Lippen,
Steigeisen an den Kletterschuhen, das Seil um die rechte Schulter geschlungen, eine
Wollmütze über das kurz geschnittene, braune Haar gestülpt. Die Gletscherbrille
verdeckte die blauen Augen. Das schmale Gesicht mit dem kantigen Kinn wirkte energisch,
fest entschlossen; sie sah jedoch nichts Tollkühnes darin, im Gegenteil, es schien
die sprichwörtliche Zuverlässigkeit des Bergführers widerzuspiegeln – und das beeindruckte
sie, gefiel ihr. Er musste ein Mensch sein, dem man sich anvertrauen konnte, war
sie überzeugt.
     
    Die Ferienwochen in Südtirol, die
sie planten, sollten Gelegenheit bieten, miteinander vertrauter zu werden. Hieß
es nicht, auf Bergtouren lerne man einen Menschen wirklich kennen und könne sich
gegenseitig prüfen?
    Schon in
München wurde Eva allerdings klar (obwohl sie dies lange verdrängte): Alex hatte
keine gute Art, mit Menschen umzugehen. Er konnte rücksichtslos sein, ging unbeirrt
seinen eigenen Weg. Und er war – äußerst geizig.
    Unangenehme,
geradezu peinliche Szenen kamen ihr in den Sinn:
    In einem
Münchner Sportgeschäft wollte sie sich mit einer Kletterausrüstung, mit Hosen, Schuhen,
Pickel, Steigeisen, Gletscherbrille eindecken – und selbstverständlich mit ihrem
eigenen Geld bezahlen. Alex jedoch verglich Preise, fand alles zu teuer, begann
zu feilschen, als wären sie in einem orientalischen Basar. Sie schämte sich für
ihn. Plötzlich forderte er sie auf: »Komm, wir finden anderswo etwas Günstigeres.«
So gingen sie stundenlang von Geschäft zu Geschäft, und jedes Mal wiederholte sich
dasselbe lächerliche Theater. Alex prüfte die Qualität, hatte an allem etwas auszusetzen,
suchte noch Billigeres.
    Sie verloren
zwei Nachmittage mit der Suche nach Schnäppchen, und Eva hatte es gründlich satt.
Noch nie war sie einem Menschen begegnet, der so geizig sein konnte. Auch in den
Restaurants. Alex, der Knausrige, fand Trinkgeld überflüssig, und manchmal steckte
Eva den Serviererinnen oder Kellnern hinter seinem Rücken einige Münzen zu, weil
sie sich für ihren Freund schämte.
    Sie erinnerte
sich, wie ihr Vater sie in ihrer Jugend, wenn es beim Abendessen Pellkartoffeln
und verschiedene Sorten Hartkäse gab, lachend aufgefordert hatte, sie solle bei
der Wahl des Zukünftigen darauf achten, wie dieser die Rinde von Käse abschneide,
das zeige sofort, ob er zu verschwenderisch oder zu geizig sei. Alex hätte auch
noch die Rinde gegessen!
     
    Allmählich fand sie den Grund heraus,
weshalb er mit Geld nicht normal umgehen konnte: Schon als Junge gab es ständig
Streit zwischen Alex und seinem strengen Vater, der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher