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Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen
Autoren: Hansi Hartwig
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offensichtlich ist es unter Ihrer Würde, sich der ordinären, deutschen Sprache zu bedienen. Dann sollten wir unser Gespräch besser gleich unter der Rubrik ‚aussichtslos’ abtun. Es hat mich gefreut. Und tschüs!“
    Wie beschwörend hob der etwa Vierzigjährige beide Hände, während er einen Schritt auf sie zu trat und leise bat, jedes Wort sorgfältig betonend: „Beate, bleiben Sie, bitte.“
    „ Bravo! Und nun hoffe ich verständlicherweise auf eine Erklärung, wie ein fremder Mensch auf die Idee kommt, mir ein Telegramm, unterschrieben mit ‚Papa’, zu schicken und mich nach Berlin zu locken.“
    „ Ich benötige viel Zeit, um das zu erklären, Mademoiselle.“
    „ Meine Güte, hätte ich alles so reichlich wie Zeit, wären sämtliche meiner Probleme auf Jahre hinaus gelöst.“
    „ Bitte?“
    Sie seufzte ergeben und ließ die Hände schlaff nach unten fallen. „Soll heißen, ich kann warten.”
    Allerdings nicht allzu lange , fügte sie knurrig für sich an.
    Pierre Germeaux reichte ihr seinen Arm und wiederholte: „Bitte.“
    „ Holla, Vorsicht! Haben Sie keine Angst, sich ihren Frack zu beschmutzen?“
    Ein abschätziger Blick aus ihren grünen Augen wanderte von seinem hellen , maßgefertigten Leinenanzug und den von Hand genähten Schuhen zu ihren eigenen ausgewaschenen Jeans und dem innig geliebten T-Shirt. Letzteres musste inzwischen alt genug sein, um Bier trinken zu dürfen. Und wenn schon, was kümmerte es sie? Immerhin hatte sie hier ihre Eltern erwartet. Und Beate wusste, dass die ihren Aufzug gehasst hätten. Ein Grund mehr für sie, sich so zu kleiden.
    Der Franzose tat, als hätte er erst in dieser Sekunde ihre unpassende Kleidung bemerkt und äußerte zurückhaltend: „ Mais non , ich mag es, im Hotel dagegen …“
    „ Ich passe mit meinen Klamotten nicht in Ihr Hotel? Dann haben die meine Anwesenheit auch nicht verdient. Meine Güte, ich bitte Sie, ich habe damit absolut kein Problem. Machen wir ganz einfach einen weiten Bogen um Ihre Absteige und niemand wird mich mit Ihnen in Verbindung bringen“, schlug sie unbekümmert vor. „In Hotels habe ich mich eh’ noch nie wohl gefühlt. Reden wir auf der Straße, gerade jetzt und hier. Hauptsache, ich erfahre endlich, was Sie von mir wollen.“
    „ Sie sind ungeduldig, Beate.“
    „ Tja, selbst wenn es mir schwerfällt, diesmal kann ich kaum widersprechen. Bedauerlicherweise ist da nicht mehr viel zu ändern, muss ein Geburtsfehler sein.“
    Pierre Germeaux war stehen geblieben, fasste vorsichtig nach ihren Händen und betrachtete Beate eindringlich. „Ich möchte Sie nicht verletzen, gleichwohl muss ich darüber reden. Es ist von größter Wichtigkeit für Ihre Zukunft und ebenso für die meine, was ich Ihnen mitteilen muss.“
    Ihr Blick glitt langsam an sich hinab und sie musterte ihre Hände in den seinen, als hätte sie diese noch nie zuvor gesehen.
    Mit einem verlegenen Räuspern ließ er sie los und deutete auf eine großzügige Parkanlage mit Wasserspielen und geharkten Kieswegen, sorgfältig getrimmten Grünflächen und strahlend weiß gestrichenen Bänken. „Wollen wir uns einen Moment setzen?“
    Beate konnte sich nicht länger des Eindrucks erwehren, dass er mindestens ebenso wie sie darauf brannte, seine Erklärungen loszuwerden. Als er sich ihr zuwandte, lächelte er sie so hinreißend an, dass sie innehielt. Es war das Lächeln eines Jungen, der sich über seine gelungene Überraschung freute. Beate dagegen hatte das Gefühl, jede Sekunde aufschreien zu müssen, wenn er sie noch länger auf die Folter spannte.
    Nachdem sie auf einer Bank Platz genommen hatten, holte er ein Foto aus seiner Jackentasche, betrachtete es mit einem eigenartig verlegenen Blick und reichte es wortlos an Beate weiter.
    „ Was ’n das?“ Mit spitzen Fingern hielt sie es provokativ dicht vor ihre Nase. Sie stutzte und sprang mit einem Satz in die Höhe, starrte Germeaux an, als hätte sie eine Erscheinung, und ließ ihre Augen vorsichtig von ihm zu dem Foto wandern, betrachtete es kopfschüttelnd und verglich es wieder und wieder mit dem Fremden.
    Wenn e s tatsächlich in seiner Absicht gelegen hatte, sie sprachlos zu erleben, so waren seine Bemühungen sichtlich von Erfolg gekrönt. Dabei hätte Beate ohne Mühe ein sattes Dutzend Leute aufzählen können, die ein Vermögen dafür bezahlt hätten, sie bloß ein einziges Mal in einen solchen Zustand zu versetzen.
    Pierre Germeaux indes verzog keine Miene und ließ ihre Musterung
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