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Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen
Autoren: Hansi Hartwig
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Spielen trafen. Nur manchmal, vorzugsweise des Nachts, belagerten junge Leute das Gebäude, kamen und gingen einzeln oder in kleinen Grüppchen, doch stets ohne Aufsehen zu erregen.
    In diesem Moment stieß e ine schlanke Gestalt in schwarzer Kleidung schwungvoll die Tür auf und ließ sie ungeachtet der nächtlichen Stille lautstark hinter sich zuschlagen. Mit weit ausgreifenden, federnden Schritten eilte der Mann über den angrenzenden Parkplatz. Rabenschwarze, bis auf die Schultern fallende Haare quollen unter dem Motorradhelm hervor. Die eng anliegende Lederkombination betonte seine muskulöse Statur, die schmalen Hüften und endlos langen Beine. Abgesehen von dem Schlüsselbund zwischen den nervös flatternden Fingern trug er nichts bei sich.
    Vor mehr als vier Stunden hatte er seine schwere Maschine in einer Seitengasse abgestellt. Es war unmöglich, sie von der angrenzenden Hauptstraße aus zu sehen, versuchte er seine erneut aufsteigenden Be denken zu zerstreuen. Vielleicht wäre es trotzdem besser gewesen, die Métro und dann den Bus in die Vorstadt zu nehmen. Zur Hölle! Wer hatte auch damit gerechnet, dass sich das Treffen dermaßen in die Länge ziehen würde?
    Ausgerechnet heute, fluchte er leise vor sich hin, ausgerechnet heute hätte ihm das nicht schon wieder passieren dürfen! Verdammt noch mal, wozu gab es Uhren? Und wieso hatte er sich überhaupt erst zu einer Teilnahme überreden lassen? Dieses eine Mal wären sie auch ohne ihn ausgekommen.
    Jetzt durfte er nicht auf den Tachometer sehen, wenn er mit Vollgas in die Innenstadt fahren musste, um gerade rechtzeitig, das hieß mit nicht mehr als einer halben Stunde Verspätung, zu dem vereinbarten Essen zu erscheinen. Wenn sich der Verkehr auf den Straßen in Grenzen hielt, könnte er die Strecke mit seiner tausendzweihundert Kubikzentimeter starken Maschine in zwanzig Minuten schaffen, überschlug er schnell in Gedanken. Wenigstens einmal haben diese Boches etwas zustande gebracht, was mir von Nutzen sein wird, ging es ihm durch den Kopf.
    Womit wir wieder beim Thema wären! Himmelherrgott!
    Pierre Germeaux hatte angekündigt, am nächsten Morgen für mehrere Tage in geschäftlichen Angelegenheiten nach Brest zu reisen. Aus diesem Grund hatte er ihn im Befehlston für diesen Abend zu einem Essen bei „Carlos“ bestellt. Nicht etwa, um mit ihm über seine Geschäfte zu reden. Weit gefehlt! Über diese Dinge hielt Germeaux seine Hände wie eine Glucke ihre Flügel über die Küken. Missgelaunt ahnte er, dass der ihm stattdessen wieder eine seiner endlosen, nervtötenden Moralpredigten halten würde.
    Seit Germeaux’ Tochter ihren Besuch angekündigt hatte, fielen seine Reden länger, seine Warnungen schärfer aus als je zuvor. Der junge Mann verabscheute dieses Mädchen aus tiefstem Herzen, was natürlich widersinnig war, da er sie noch gar nicht kennengelernt hatte. Gütiger Gott, dabei legte er auch nicht den geringsten Wert auf eine Begegnung mit ihr! Ihm wurde beim bloßen Gedanken daran übel. Noch einer von dieser Sorte im Haus!
    Nachdem der alte Germeaux in Deutschland seine Tochter gefunden und zu einem Besuch in Paris überredet hatte, gab es in der Villa Chez le Matelot kein anderes Gesprächsthema. Der Ehrgeiz des Hausherrn, alles perfekt vorbereitet zu sehen pour la poupée , trieb teilweise skurrile Blüten.
    Unwillkürlich schüttelte er sich bei dem Gedanken an den übertriebe nen Aufwand, den Germeaux für dieses Gör betrieb. Nicht genug damit, dass seit Wochen Handwerker das Haus belagerten wie eine feindliche Armee und sämtliche Räumlichkeiten auf den Kopf stellten mit unmöglichen und hauptsächlich unnötigen Umbauten. Der Alte hatte sogar darauf bestanden, dass nach der Ankunft des Mädchens ausschließlich Deutsch gesprochen wurde.
    Der Mann in der Lederkleidung lachte bitter auf und trat wütend den Starter nach unten. Er ließ den Motor laut aufheulen, als könnte er damit seinen aufsteigenden Frust zum Teufel jagen. Das bevorstehende Essen mit Pierre Germeaux beschäftigte ihn dermaßen, dass er nicht auf die beiden Motorräder achtete, die sich im gleichen Moment in Bewegung setzten und aus verschiedenen Richtungen direkt auf ihn zu fuhren. Viel zu spät bemerkte er die schwingenden Eisenketten in den behandschuhten Fäusten der Biker. Er gab Gas, als ein gewaltiger Schlag gegen das Hinterrad die Maschine erschütterte. Noch ehe er reagieren konnte, verlor er die Gewalt über das schwere Gefährt und das Hinterrad
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