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Tödliche Jagd

Tödliche Jagd

Titel: Tödliche Jagd
Autoren: Jack Higgins
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Getrapse. »Hier ist ein lieber, alter Kerl, ganz
verdreckt.«
      Fritz kam vor den Sessel gelaufen und stupste mit seiner Schnauze meine Hand.

    Seit dem Aufenthalt in Tay Son bestand jederzeit die Gefahr,
daß das passieren würde. Die Psychiater hatten
Dementsprechendes angedeutet, denn das Trauma saß zu tief. Ich
begann hemmungslos zu heulen wie ein kleines Kind, als Fritz mir die
Hand leckte.
      Sheila sah sehr blaß aus. Sie strich mir das
Haar aus der Stirn wie einem kleinen Jungen und küßte mich
zärtlich.
    »Es wird alles wieder gut, Ellis. Hab Vertrauen zu mir.«
      Das Telefon stand in der Küche. Ich blieb
regungslos sitzen, umklammerte das Whiskyglas, starrte ins Leere; die
Tränen liefen mir übers Gesicht.
      Ich registrierte mehr im Unterbewußtsein ihre
Stimme. »Ist dort die amerikanische Botschaft? Könnte ich
bitte mit General St. Claire sprechen? Mein Name ist Sheila
Ward.« Und nach einer kleinen Pause: »Bist du's,
Max?« Danach zog sie die Küchentür zu.
      Nach zwei, drei Minuten kam sie zurück und kniete
sich vor mich hin. »Max kommt, Ellis. Er ist gleich losgefahren.
Spätestens in anderthalb Stunden wird er da sein.«
    Sie ging ins Schlafzimmer, um sich
anzuziehen, und ließ mich mit meinen Gedanken allein. Max war auf
dem Weg hierher. Brigade-General James Maxwell St. Claire,
›Black Max‹ genannt, der hochdekorierte Soldat, ein Held,
dessen Taten die Phantasie vieler Jungen beflügelt. Black Max,
mein einziger Freund, war auf dem Weg hierher, um mich zu retten, wie
er mich schon einmal gerettet hatte, an einem Ort, der Tay Son
hieß.

    2
Lager Nr. 1

    An einem naßkalten Februarabend 1966, während meines
zweiten Jahres an der Militärakademie von Sandhurst, sprang ich
von einer Eisenbahnüberführung hinunter auf einen
durchfahrenden Zug. Ich landete auf einem Kokswagen, doch der Kadett,
der nach mir sprang, hatte weniger Glück. Er fiel genau zwischen
zwei Waggons und war auf der Stelle tot.
      Daß wir vorher gesoffen hatten wie die Stiere,
wurde uns nicht als mildernder Umstand angerechnet. Bei mir war es das
letzte Glied in einer langen Kette ähnlicher Dummheiten. Ich
mußte mir vor der Untersuchungskommission harte Worte
anhören und noch härtere vom Kommandeur, als er mir meine
Entlassung aus dem Militärdienst mitteilte.
      Mein Großvater erwies sich auch nicht eben als
wortkarg; für ihn, den Generalmajor, war es natürlich ein
schwerer Schlag. Nach meinem denkwürdigen Intermezzo mit dem
finnischen Au-pair-Mädchen im zarten Alter von vierzehn Jahren
hatte er in mir stets ein verkommenes Subjekt gesehen, und diese letzte
meiner Heldentaten verschaffte ihm die Genugtuung, alles schon immer
gewußt zu haben.
    Mein Vater hatte im Zweiten Weltkrieg bei
Arnheim den Heldentod gefunden, meine Mutter war zwei Jahre später
verstorben. Mein Großvater hatte mich also ziemlich lange unter
seiner Kuratel. Warum er mich nie mochte, hatte ich nicht
ergründen können; da jedoch Haß ebenso stark verbindet
wie Liebe, war es für mich eine ziemliche Erleichterung, als er
mir verbot, jemals wieder sein Haus zu betreten.
      Daß ich in der Armee Karriere machen sollte, war
seine Idee gewesen, nicht meine. Die Familientradition oder, wenn man
es unter einem anderen Blickwinkel sah, der Fluch, der auf der Familie
lastete. Nun aber, nach über zwanzig Jahren, in denen ich von der
einen oder anderen Seite Druck bekommen hatte, war ich endlich frei
und, dank des Geldes, das mir meine Mutter vermacht hatte, nicht
unvermögend.
      Vielleicht war dieses neue Gefühl, ganz allein
Entscheidungen treffen zu können, daran schuld, daß ich
knapp eine Woche nach meiner Entlassung aus der Militärakademie
nach New York flog und mich bei der US Army für drei Jahre als
Fallschirmjäger verpflichtete.

    Man könnte sagen, daß der Sprung von der
Eisenbahnüberführung ein Sprung in die Hölle war, weil
er im Zusammenhang damit stand, daß ich in Tay Son landete,
obwohl ich vorher achtzehn Monate lang eine andere Hölle durchlebt
hatte.
      Im Juli 1966 wurden wir, eine zweihundertköpfige
Ersatztruppe für die 801 Airborne Division, der Stolz der Armee,
alles Freiwillige, wie das überall auf der Welt für
Fallschirmjägertruppen kennzeichnend ist, nach Ton Son Nhut, wo es
einen alten französischen Flugplatz gab, eingeflogen.
      Ein Jahr später waren von den ursprünglich
zweihundert Mann nur noch achtundvierzig übriggeblieben. Die
anderen waren entweder vermißt, verwundet
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