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Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
Autoren: Jessica Spotswood
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überhaupt McLeod?«, flüstert sie.
    Tess zieht mich am Ärmel. »Was hast du vor, Cate?«
    Doch ich antworte ihr nicht. Ich stehe auf, streiche meinen burgunderfarbenen Rock glatt und gehe durch den Gang nach vorn. Ich stehe mit dem Rücken zu der flüsternden Menge und sehe Bruder Ishida an. Es scheint ihm heute wieder gut zu gehen, sein Gesicht ist faltenfrei und unbesorgt. Es ist seltsam, ihm wieder in die Augen zu sehen, die in ihrem üblichen Eifer leuchten, aber nichts von dem verbitterten Hass zeigen, der gestern Abend zum Vorschein kam. Und er erinnert sich an nichts.
    Gott sei Dank, dass er sich an nichts erinnert. Tess sei Dank.
    »Miss Cahill, ist Ihnen die Ernsthaftigkeit dieser Zeremonie bewusst? Sie vertraut Sie dem Weg an, den Sie vor den Augen Gottes und dieser Gemeinde gewählt haben. Es ist keine Angelegenheit, die leichthin begangen werden sollte. Wenn Sie einmal Ihre Absicht bekundet haben, werden die Bruderschaft und all Ihre Nachbarn schwören, Sie darin zu unterstützen.«
    »Ja, Sir.«
    Er tritt zur Seite, und ich besteige die Kanzel und sehe hinab auf das Meer von Gesichtern. Es ist der einzige Anlass, zu dem es Frauen gestattet ist, von der Kanzel zu sprechen. Von hier aus betrachtet ist die Gemeinde riesig, Hunderte unserer Nachbarn sind in ihrem Sonntagsputz zusammengepfercht. Alle warten ganz gespannt darauf, zu hören, was ich zu sagen habe. Es ist ein berauschendes Gefühl.
    »Catherine Cahill, was ist Ihre Absicht?«
    Ich zögere nicht. Meine Stimme ist laut und deutlich und absolut sicher.
    »Vor dem Herrn und allen, die Zeuge meiner Worte sind: Ich möchte der Schwesternschaft beitreten.«
    Das Flüstern explodiert. Seit Jahren ist niemand der Schwesternschaft beigetreten, und ich glaube nicht, dass mich irgendjemand für eine mögliche Kandidatin gehalten hat. Bruder Ishida ist für einen Moment verunsichert, doch dann redet er auch schon von der edlen, ehrenhaften Bestimmung der Schwestern.
    Doch ich höre seine Worte nur schwach, als kämen sie vom anderen Ende eines langen, dunklen Ganges. Es ist getan.
    Der nächste Teil ist der schwierigste. Ich hebe meinen Blick und spähe in den hinteren Teil der Kirche. Paul sitzt neben seiner Mutter. Er ist sogar in seinem Herzschmerz noch attraktiv. Ich kann sehen, wie angespannt sein eckiger Kiefer ist, wie er daran arbeitet, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Meine Entscheidung muss ihm unbegreiflich erscheinen. Aber ich bin nicht mehr das freie, sorglose Mädchen, das mit ihm im Teich gewatet ist und auf der Mauer des Schweinestalls balancierte. Ich werde nie wieder diese Cate sein. Es ist besser, wenn er es jetzt begreift.
    Sachi tuschelt hinter ihrem rosafarbenen Fächer mit Rose Collier, und die blaue Feder in ihrem Haar schwingt unruhig hin und her.
    In der Reihe hinter ihr ist die Teilnahmslosigkeit in Mauras Gesicht verflogen. Maura hält sich mit beiden Händen so an der Lehne der vorderen Kirchenbank fest, dass ihre Knöchel weiß hervortreten, und ihre blauen Augen sind so groß, dass sie fast ihr Gesicht verschlucken. Während ich zu ihr hinübersehe, rückt Tess näher an sie heran. Irgendwie haben sich am vorigen Tag ihre Rollen umgekehrt: Maura ist zerbrechlicher geworden und Tess zu ihrer Beschützerin.
    Zum Schluss – und am Schlimmsten – Finn. Jetzt Bruder Belastra. Er sitzt zum ersten Mal mit den anderen Brüdern in der ersten Reihe und ist von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet. Er hat sich bereits auf seinen Weg begeben. Der Laden ist geschlossen – ich habe das Schild an der Tür gesehen, als unsere Kutsche daran vorbeigefahren ist. Er fährt mit der Hand durch sein ungekämmtes Haar, die Fassungslosigkeit ist seinen prächtigen schokoladenbraunen Augen anzusehen. Das ist nicht das, was er von mir erwartet hat.
    Unbewusst befühle ich den Striemen auf meiner Wange. Finns Gesicht verdüstert sich, und er greift instinktiv nach seinem Stiefel. Ich schüttele fast unmerklich den Kopf. Was könnte er denn tun? Nichts.
    Es gibt nichts, was irgendjemand tun könnte. Ich habe mich hierfür entschieden.
    »Catherine Cahill, Ihr habt den Segen der Bruderschaft. Geht in Frieden und dienet dem Herrn«, sagt Bruder Ishida.
    Ich senke den Kopf. »Dank sei dem Herrn.«
    Und die Gemeinde wiederholt meine Worte.
    Unsere Nachbarn erheben sich und strecken sich in den Bänken. Einige von ihnen kommen auf mich zu – Finn ist darunter –, aber Elena ist schneller. Sie zieht mich den Gang hinunter und schirmt mich vor den
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