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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit
Autoren: Jennifer Handford
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versuchte, ihre Zehen zu berühren.
    Larry sah erst mich, dann Ross an. »Tolle Neuigkeiten, oder?«
    »Es wird langsam!«
    »Zum Glück hat Ross nicht so lang gebraucht wie ich, um zu kapieren, was es heißt, Vater zu sein.«
    Ich drückte Larry die Aufnahmen in die Hand und fragte ihn: »Na, was sagst du dazu, Großpapa?«

KAPITEL 25
    Im Mai darauf versammelten wir uns vor Claires Grab, um ihrer an ihrem ersten Todestag zu gedenken. Maura tanzte auf dem mit Gras bewachsenen Hügel, anscheinend verblasste die Erinnerung an ihre Mutter schon und sie beschäftigte sich mehr mit den aktuellen Ereignissen in ihrem Leben. Ich fand es traurig mitzuerleben, wie Maura nach und nach ihre Mutter vergaß, obwohl ich wusste, dass sie sich einfach nicht erinnern konnte. Andererseits war es auch ein Segen. Kein Kind sollte sich ständig vor Augen halten, dass ihr die Person, von der sie am meisten geliebt wurde, ihr buchstäblich gestohlen worden war, dass sie das Opfer eines Raubs war.
Lass sie ihre Mutter doch vergessen
, dachte ich.
Ich übernehme die Last der Trauer für sie, die so schwer wog, dass ich sie bis hinunter in meinen Bauch spüren konnte.
    Ich legte Blumen an Claires Grabstein, legte meine Hand auf den kühlen Granit und schloss meine Augen.
Ich vermisse dich, Claire. Aber ich sehe dich bald wieder
, dachte ich und legte meine Hand auf meinen Schwangerschaftsbauch.
Und Maura geht’s gut. Du weißt, wie sehr wir sie alle lieben, oder? Und das werden wir immer tun. Das verspreche ich dir, Claire. Ehrenwort! Ich kümmere mich um sie, so wie du das getan hast. Ich verspreche dir, ich werde all diese Mädchen immer lieben – sie sind zwar nicht mein Eigentum, aber sie gehören mir. Was immer das auch bedeuten mag. Was ich zu sagen versuche, ist, dass ich sie ebenso liebe, wie du es getan hast, okay?
    Ich sah in den blauen, leicht bewölkten Himmel und dann zu Maura. Ich fragte sie gelegentlich, ob sie sich noch an einzelne Episoden mit Claire erinnerte. Sie hatte schon so vieles vergessen, vor allem, was sie gemeinsam erlebt hatten. Manchmal erzählte sie mir auf meine Frage hin eine Geschichte. »Weißt du noch, als Mom und ich Äpfel gepflückt hatten?« – doch dannsah ich ein Foto von den beiden im Obstgarten an Mauras Pinnwand hängen und wusste, dass Mauras Erinnerungen von Fotos wie diesen stammten. Doch manchmal konnte ich sehen, wie sie mittendrin innehielt und nach einem Gefühl kramte, das anscheinend eine Schicht tiefer vergraben lag. Eine Umarmung, eine Berührung, ein Geruch – all das beschwor eine Erinnerung in ihr herauf, einen flüchtigen Moment eines
Ach ja, so war das
. Ich kannte das, weil es mir damals als Teenager nicht anders ergangen war. Manchmal war es mir im letzten Jahr passiert, dass ich auf der Straße oder im Supermarkt eine Frau gesehen hatte, die eine frappierende Ähnlichkeit mit Claire hatte, sodass ich zweimal hinsehen musste. Jedes Mal, wenn ich mir einen Vanille Latte bestellte, hörte ich Claire zu der Barista sagen: »Bitte nur ganz wenig Sirup.« An Tagen, an denen mein Kummer überhandnahm, konnte ich Claires beständige Mahnung hören:
Reiß dich gefälligst zusammen und benutze einen Lippenstift, der einen Ton heller ist!
    Ich wusste, was Maura durchmachte, wusste, dass sie ihren eigenen Erinnerungen misstraute, da ich selbst damals genauso unsicher war, was wirklich passiert war und was ich mir nur einbildete.
    In der ersten Juliwoche verspürte ich plötzlich ein Ziehen im Bauch.
    »Ist das eine Wehe?«, fragte mich Tim.
    »Ich glaube nicht«, beschwichtigte ich ihn, weil es mir bei dem Gedanken, dass etwas nicht stimmen könnte, beinah das Herz zerriss. Ich wusste noch genau, wie traurig ich damals, vor ein paar Jahren, bei meiner Fehlgeburt gewesen war.
    »Ich fahr dich besser ins Krankenhaus«, meinte Tim bestimmt.
    Davis und Delia waren am Tag davor aus North Carolina angereist. Der Arzt hatte gemeint, dass die Wehen in dennächsten Tagen einsetzen könnten. Wenn nicht, könne er sie auch einleiten.
    Sam war mit ihren Großeltern auf der Veranda, als Tim und ich die Treppen herunterkamen.
    »Ich fahre Helen ins Krankenhaus zur Untersuchung«, teilte Tim seinen Eltern mit. »Sie spürt da was und macht sich Sorgen.«
    Davis und Delia nickten und versicherten uns, dass sie gut auf Sam aufpassen würden.
    »Mommy und Daddy haben dich lieb«, sagte ich zu Sam, beugte mich zu ihr hinab und drückte ihr einen Kuss auf den Mund, als ich ein weiteres Ziehen in
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